„Man wird dort viel eher als ­Beute denn als Partner gesehen”
PRIMENEWS erika hofbauer 06.02.2015

„Man wird dort viel eher als ­Beute denn als Partner gesehen”

Gründermythen Das Silicon Valley gilt als Mekka der Start-up-Kultur: Ein Blick hinter die Kulissen entzaubert die Mär vom Gründerparadies

Thomas Berndorfer, Connecting Software: „Prinzipiell geht alles viel schneller dort – also auch Erfolg und Misserfolg.”

San Francisco/Wien. In San Francisco, genauer gesagt im Silicon Valley, ist das Zentrum innovativer Technik-Ideen beheimatet. Viele heute große und weltumspannende Konzerne taten dort ihre ersten Schritte. Blickt man jedoch hinter die Kulissen, sieht die Realität doch ein wenig anders, sprich: härter, aus …

So gut die Chancen für Jungunternehmer in der kalifornischen Start-up-Hochburg sind, so kos-tenintensiv sind auch die Lebenshaltungskosten. Denn wirklich reich, das ergab eine Studie des Marketingunternehmens Compass, werden die ambitionierten Neo-Firmenchefs zunächst einmal nicht. Der Analyse zufolge verdienen zwei Drittel der im Silicon Valley ansässigen Unternehmer weniger als 50.000 USD im Jahr – angesichts der hohen Lebenshaltungs- und Forschungs- und Entwicklungskosten keine leichte Ausgangssituation.Der Durchschnittsverdienst in der Region liegt laut einem Bericht des Silicon Valley Business Journal zwar mit 94.000 USD deutlich höher. Das Einkommen der Gründer steigt im Regelfall jedoch nur dann an, wenn ein ausgereiftes Produkt in Reichweite ist. Der Gründungs-CEO des Zahlungsdienstes PayPal, Peter Thiel, meint sogar: „Je niedriger das Gehalt des CEO ist, desto eher wird das Start-up auch erfolgreich sein.” Eine Erfahrung, die auch heimische Gründer gemacht haben bzw. wohl noch machen werden.

„Der erste Eindruck zählt”

„Der Aufenthalt im Silicon Valley steht Thomas Lutz und mir als Gründer der Ärzte-Suchmaschine ‚Symptoma' noch bevor”, erzählt Jama Nateqi. Er hält es aber mit dem PayPal-Gründer: „Im Fokus der Gründer steht nicht das Gehalt, sondern die Unternehmensentwicklung.” Und der erste Eindruck: „Das zählt im stark vernetzten Silicon Valley.” Ähnlich sieht dies auch Thomas Berndorfer; er ist Gründer und Geschäftsführer von Connecting Software, ein mittlerweile international tätiger Software-Entwickler mit Niederlassungen in Wien und im Silicon Valley, der sich seit 2007 mit der Integration, Synchronisation und Migration von Anwendungen, Daten und Workflows beschäftigt.„Prinzipiell geht alles viel schneller dort, also auch Erfolg und Misserfolg”, erzählt Berndorfer. Er selbst hat vor über elf Jahren „ein paar Firmen” gegründet, die sich hauptsächlich mit Dienstleis-tungen beschäftigen: „Diese Firmen haben immer gute Gewinne geschrieben und schreiben sie heute noch. Mit dem Geld habe ich dann ‚Connecting Software' finanziert, dadurch habe ich mir Venturer oder Banken erspart.”Daher habe er hier viel weniger Druck als andere, die „nur” ihre Idee haben und sich mit kleinen Jobs oder Förderungen oder Venturer durch den Tag schlagen. Ob das gut war? „Für mich auf jeden Fall! Denn dadurch konnte ich viel mehr so umsetzen, wie ich es wollte und musste nicht unter einem Damoklesschwert existieren.”

„Druck macht erfinderisch”

Freilich, finanzieller Druck macht zwar erfinderisch, und man gibt das Letzte, davon ist der IT-Spezialist überzeugt, aber es mache einen auch anfällig, Zahlen zu manipulieren oder – noch schlimmer – „Kunden über den Tisch ziehen zu müssen, weil man sonst nichts mehr zum Essen hat”. Berndorfer: „Als ich in die USA gegangen bin, wollte ich natürlich auch so eine Superstory erreichen, über die man tagtäglich liest. Aber der Markt dort ist komplett anders als bei uns.” Dort drehe sich fast alles um Marketing und Sales, „da wird gebogen und gelogen, wie wir es nicht machen wollen”. Das Leben und Arbeiten im Silicon Valley ist „teils faszinierend und inspirierend, teils aber auch dreckig und unethisch”. Am meisten, erzählt Berndorfer von seinen US-Anfängen, habe er im Bereich Marketing und Kundenorientiertheit, in der Kommunikation und „in der Kürze der Message zum Kunden” gelernt. Aber auch: „Ich habe in der Zeit im Valley viel gelernt und auch, dass man erst seine Hausaufgaben am Heimmarkt richtig machen muss, bevor man ins Haifischbecken springt.”

„Traue keinem …”

Was würde er heute anders machen? „Länger planen, Termine schon aus Europa vorbereiten, mehr Geld mitnehmen, mehr Geduld, mehr lokale Partner suchen, niemandem trauen, der einem das Blaue vom Himmel verspricht, denn das können die dort einfach unglaublich gut.” Dennoch möchte Berndorfer die dort gemachte Erfahrung nicht missen und versucht, etwas davon mit nach Europa zu bringen: „Wir sind halt in Österreich oder Europa leider viel zu sehr risikoavers und hier traut sich niemand mal was Neues; das gibt es dort viel eher.” Man müsse sein Business aber mit lokalem Personal machen, die Usancen kennen.Berndorfer: „Schauen Sie sich Österreich an: Ein winziges Land mit acht Millionen Einwohnern, und selbst bei uns gibt es Riesenunterschiede zwischen Tirolern und Wienern, Salzburgern und Kärntnern. In den USA leben allein in New York mehr Menschen.”Welche Tipps hätte er für (österreichische) Newcomer im Silicon Valley parat? „Auf jeden Fall vorsichtig sein, akzeptieren, dass man dort eher als Beute denn als Partner gesehen wird, sich mit anderen zusammensetzen und die Fehler der anderen vermeiden”.

„Entrepreneure sind Exoten”

Außerdem: „Nicht alles glauben, was man hört”, nennt der Unternehmer ein Beispiel: „Die USA sind kein Unternehmerland, dort arbeiten viel mehr Menschen in Anstellungsverhältnissen wie bei uns – meist sogar in Konzernen. Man wird als Entrepreneur bewundert, eben weil es so wenige gibt und weil alle in den USA immer noch dem American Dream vertrauen.”Vorbereitung, resümiert Berndorf, sei die halbe Miete: „Hart arbeiten und niemals glauben, dass es woanders, wo man die Regeln nicht kennt, einfacher ist.” Was auch nicht schadet: „Einen langen Atem zu haben – und definitiv nicht alles auf eine Karte setzen!”

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