Schwierige Talentsuche
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Autor Oliver Back ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung ROC.
CAREER NETWORK OLIVER BACK 29.05.2015

Schwierige Talentsuche

Herausforderung Talent Management muss auch im Mittelstand baldigst zur Chefsache werden

Der heimische Mittelstand tut sich beim Aufspüren neuer Fachkräfte besonders schwer.

Wien. Sechs von zehn Mittelständlern in Österreich sehen sich für die Talentsuche im eigenen Haus unzureichend aufgestellt. Nur unwesentlich besser schätzen die Unternehmen ihren Zustand bei der Entwicklung und Motivation interner Hoffnungsträger ein.

Das sind Ergebnisse der Studie „Talent Management im Mittelstand”. Für die Untersuchung hat die Unternehmensberatung ROC Führungskräfte und HR-Experten von 144 großen mittelständischen Unternehmen befragt. Den Ergebnissen zufolge geht deutlich mehr als die Hälfte der Betriebe in Österreich davon aus, dass sie für die Talentsuche im eigenen Haus allenfalls mittelmäßig gerüstet ist. Die Arbeitgeber geben sich selbst somit in Sachen Talent Management kein gutes Zeugnis.

Kein Interesse am Talent!?

Dabei hat der Mittelstand längst erkannt, dass Talent Management insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels immer wichtiger wird. So stehen etwa in Österreich für bis zu 77% der Unternehmen Aufgaben wie die Identifikation, Entwicklung und Bindung interner Talente ganz oben auf der Agenda.
Die aktuellen Defizite im Talent Management sind auch für die Mitarbeiter spürbar: Das Gefühl, im eigenen Unternehmen nicht wahrgenommen zu werden, ist bei Arbeitnehmern weit verbreitet, wie eine Mehrländerstudie von ROC schon 2013 gezeigt hat.
Rund 59% der Arbeitnehmer machen demnach die Erfahrung, dass sie bei Förderprogrammen übergangen werden, weil sie ihr Chef nicht wahrnimmt; 42% sind sogar der Meinung, die Chefs hätten überhaupt kein Interesse daran, Talente zu entdecken und zu fördern.

Führungskräftemangel

Dass der österreichische Mittelstand nicht nur unter einem Fachkräfte-, sondern auch unter einem Führungskräftemangel leidet, zeigt die aktuelle Studie ebenfalls. 21% der mittelständischen Unternehmen brauchen nämlich bis zu einem Jahr, um vakante oder neu geschaffene Positionen im Top-Management zu besetzen. Knapp 39% suchen noch bis zu sechs Monate nach geeigneten Kandidaten für ihre Spitzenposten.
Nur gut die Hälfte der Führungspositionen besetzen die Mittelständler dabei aus den eigenen Reihen. Die Unternehmen erhoffen sich von den Externen vor allem „frischen Wind”. Aus dieser Sichtweise ergibt sich allerdings ein Dilemma: Denn da die Studie auch zeigt, dass die Firmen davon ausgehen, dass interne Karriereperspektiven bei der Motivation der eigenen Mitarbeiter der entscheidende Hebel sind, besteht zwischen interner und externer Rekrutierung ein starker Interessenkonflikt.
Diesen zu managen, ist essenziell für den Unternehmenserfolg, insbesondere im Mittelstand, der im Recruiting von Top-Kandidaten oft gegenüber Großunternehmen das Nachsehen hat. Die technische Umsetzung eines Talent Managements stellt zumindest für den Mittelstand mittlerweile keine unüberwindbare finanzielle Herausforderung mehr dar; IT-gestützte Talent-Management-Systeme helfen dabei, systematisch und transparent zu arbeiten. Die aktuelle ROC-Studie zeigt jedoch, dass der Abschied vom papierbasierten „Lohnbüro” noch schwerfällt.
Dabei eröffnen gut aufbereitete Daten den Entscheidern die Möglichkeit, sich einen belastbaren Überblick über die vorhandenen Mitarbeiter zu verschaffen: Wer hat welche Kenntnisse? Wen müssen wir wie schulen? Und wer kann kurzfristig oder in den nächsten Jahren ausscheidende Führungskräfte ersetzen? Fehlt einer Firma diese Datenbasis, fehlt ihr die Grundlage, die hauseigenen Talente zu identifizieren.
Eines ist aber auch klar: Um wirklich erfolgreich zu sein, muss Talent Management auch im Mittelstand zu einer echten Chefsache werden.

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