Was sich 2018 bei Jobs und Bildung ändern wird
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CAREER NETWORK sabine bretschneider 12.01.2018

Was sich 2018 bei Jobs und Bildung ändern wird

Ein Querschnitt durch Maßnahmen und Reformen der neuen Regierung auf Österreichs Bildungs- und Arbeitsmarkt.

••• Von Sabine Bretschneider

Sparen im System” – unter diesem Motto will die neue ÖVP-FPÖ-Regierung 2018 Einsparungen von rund 2,5 Mrd. € umsetzen und so in den nächsten zwei bis drei Jahren einen ausgeglichenen Haushalt erzielen. Dem Sparstift fielen denn auch schon am Neujahrstag zwei sozialdemokratisch getriebene Arbeitsmarkt-Prestigeprojekte der vorhergehenden Koalition zum Opfer: Beschäftigungsbonus und Aktion 20.000; die Regierung verwies diesbezüglich auf die „gute Konjunktur”. Die Maßnahmen seien „nicht zielführend”.

Faktisch hat die gute Konjunkturentwicklung in Österreich und die starke Arbeitskräftenachfrage von Unternehmen im Jahr 2017 zu einem Stellenzugangsrekord beim Arbeitsmarktservice (AMS) geführt. 71,2% der gemeldeten Stellen waren Vollzeitstellen, 19,2% Teilzeitstellen, und bei neun Prozent der Stellen war beides möglich. Mit 532.500 Stellenzugängen haben Unternehmen um 68.821 oder 14,8% mehr freie Stellen beim AMS gemeldet als noch im Jahr 2016, teilte das AMS am Dienstag in einer Aussendung mit. Die starke Arbeitskräftenachfrage der Unternehmen betraf laut Arbeitsmarktservice fast alle Branchen.

Aufreger „Hartz IV”

Für Aufregung sorgte und sorgt allerdings die Neugestaltung der Arbeitslosenbezüge: Bei der letzten Nationalratssitzung der rot-schwarzen Vorgängerregierung am 12. Oktober des Vorjahres war mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen noch die künftige Nichtanrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe beschlossen worden, eine Maßnahme, die insbesondere viele Frauen in Zukunft auf höhere Leistung hoffen ließ. Diese Gesetzesvorlage ist jetzt vom Tisch. Statt der Reform dieser Leistung wird die Notstandshilfe abgeschafft – und durch ein zum jetzigen Zeitpunkt inhaltlich noch nicht definiertes ‚Arbeitslosengeld neu' bzw. die Mindestsicherung abgelöst. Ein rot-weiß-rotes Pendant zum deutschen Hartz IV-Modell – Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling hatte schon 2016 eine einschlägige Studie zur Übertragung dieses Modells auf Österreich beauftragt – geistert durch die Medien. Die neue Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (sie war zwischen 2005 und 2009 stellvertretende Generaldirektorin des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger) hatte für unbefristetes Arbeitslosengeld plädiert, war allerdings von Bundeskanzler Sebastian Kurz zurückgepfiffen worden. Änderungen kommen auch bei der Altersteilzeit: Können derzeit Frauen mit 53, Männer mit 58 Jahren in Altersteilzeit gehen, soll die Altersgrenze schrittweise auf 55/60 angehoben werden.

Ziffernnoten & Unigebühren

Neuer Bildungsminister ist Heinz Faßmann, seit 2010 Vorsitzender des Expertenrats im Integrationsministerium und seit 2011 Vizerektor der Universität Wien. Neben der Bildung umfasst das neue Ressort auch die Zuständigkeiten für die Universitäten sowie für Kindergärten und Elementarpädagogik.

Zum Thema Bildung heißt es im Regierungsprogramm: „Das österreichische Bildungssystem darf gesellschaftspolitisch weder auf das Bewahren alles Überkommenen noch auf das Verändern um jeden Preis ausgelegt sein.” Was zuallererst durchsickerte, war die Rückkehr zur Ziffernbenotung in den Volksschulen, die Weiterführung des differenzierten Schulsystems, d.h. die prolongierte Ablehnung von Gesamtschulen – und die (Wieder-)Einführung von Studiengebühren samt strikterer Zugangsregelungen.

Druck auf die „ÜBA”

Im „Land der Meister” soll die Lehre durch mehr Durchlässigkeit und moderne Ausbildungsmöglichkeiten attraktiver gemacht werden („Die duale Ausbildung und die Facharbeiter-Ausbildung sind international anerkannte Besonderheiten des österreichischen Bildungssystems”). Die Ausbildung in den Betrieben soll dementsprechend gestärkt und prioritär gefördert werden, überbetriebliche Ausbildungen (ÜBA), wie sie derzeit im Auftrag des AMS von Schulungseinrichtungen und privaten Bildungsinstituten durchgeführt werden, sollen schneller in einen Wechsel in ein ausbildendes Unternehmen münden.

IV: „Die Angst muss weg”

Vor allem beim Thema Bildung dürfe die Regierung „nicht zu konservativ werden”, hieß es in einer Reaktion der Industriellenvereinigung. Das Bildungsprogramm sei zwar „moderner als erwartet ausgefallen”, aber „leider wird das differenzierte Schulwesen sehr in den Vordergrund gestellt”. Es gebe kein Denken an die gemeinsame Schule. „Die Angst muss weg, damit das Schulsystem zu ruinieren”, forderte IV-Präsident Georg Kapsch.

Vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria kommen wenig lobende Worte für das schwarz-blaue Regierungsprogramm. „Wer sich von der neuen Regierung eine Generalsanierung des Hauses Österreich erwartet hat, wird nach Lektüre des Arbeitsprogramms bitter enttäuscht sein”, hieß es seitens Agenda Austria-Chef Franz Schellhorn. Ermutigend seien hingegen die Vorhaben in der Bildung. Auch dass ein Arbeitsmarktprogramm wie die „Aktion 20.000” deutlich verkleinert werde, sei richtig. „Aus taktischen Gründen ist die Zurückhaltung der Regierung vielleicht zu verstehen”, so die Agenda Austria. „Dem Land mangelt es allerdings nicht an politischer Taktik, sondern an einer umfassenden Erneuerung aller öffentlichen Bereiche. Und davon ist sehr wenig zu sehen.” Die Regierung werde Kritiker nicht beruhigen, aber jene enttäuschen, die sich eine mutige Modernisierung des Landes gewünscht hätten.

ÖGB und AK „kritisch”

„Äußerst kritisch” beurteilte der ÖGB die Ankündigungen der Regierung – insbesondere im Bereich der Maßnahmen in Sachen Arbeitsmarktpolitik. Zwar sei es prinzipiell begrüßenswert, wenn einige Arbeitnehmer durch die Befreiung von Arbeitslosenbeiträgen entlastet werden. Aber die Menschen mit den niedrigsten Löhnen hätten davon nichts, weil sie ohnehin keine Beiträge zahlen, konstatierte der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz. „Nicht die Bekämpfung von Arbeitslosen, sondern von Arbeitslosigkeit sollte zentrale Politik im kommenden Jahr sein”, legte AK-Präsident ­Rudolf Kaske nach. Man stößt sich insbesondere an der zeitlichen Begrenzung des Leistungsbezugs aus der Arbeitslosenversicherung und der Ausweitung der Arbeitszeit. So soll etwa die tägliche Höchstgrenze der Arbeitszeit auf zwölf Stunden und die wöchentliche auf 60 Stunden angehoben werden können – bei gleichbleibendem Regelungsregime der Zuschläge.

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