Schwierige Zeiten für Bäckereien
© panthermedia.net/Maksim Shebeko
DOSSIERS 30.10.2015

Schwierige Zeiten für Bäckereien

 

Je älter desto öfter – so lautet die Devise der Österreicher beim Brotessen. Und: Sieben von zehn Österreichern essen mindestens ein Mal am Tag Brot und/oder Gebäck. Die Gewohnheit macht’s – vor allem das Umsatzpotenzial für den Handel. Die Supermärkte und Discounter rüsten auf – das spüren die traditionellen Bäcker und diese geraten gehörig unter Druck. Experten beobachten seit Jahren einen Umbruch in der Brot-Branche. Marketagent.com hat die bedeutendsten Motivatoren für das Aufsuchen der heimischen Backstuben untersucht. Für jeden zweiten Österreicher sind die wichtigsten Motive die Sauberkeit in der Filiale (Top-Box-Wert „motiviert mich sehr”: 55,1%) sowie die Produktqualität der Backware (50,5%). Weitere Beweggründe für den Besuch eines Bäckers sind ein freundliches Personal (40,6%) und der frische Duft (33,4%) im Bäckereibetrieb. Auch dass mehrmals am Tag direkt in der Filiale frisch gebacken wird (33,2%) scheint Motivation genug zu sein, um die traditionellen Bäckereien häufiger aufzusuchen.

Hofer auf Platz eins

Doch die Supermärkte und Discounter haben nicht nur in puncto Erreichbarkeit, sondern auch in Sachen Beliebtheit zugelegt. meinungsraum.at befragte 500 Wiener; das Ergebnis: Unter den Top Ten der beliebtesten Bezugsquellen befinden sich sechs Supermärkte und Discounter. Auf Platz eins wählten die Befragten den Discounter Hofer. „Wir können neben weiterhin steigenden Kundenzahlen in den Backbox-Filialen auch ein deutliches Umsatzplus verzeichnen, nicht nur bei Brot und Gebäck, sondern auch bei anderen Produktbereichen”, kommentiert die Hofer KG. Man bemühe sich aber auch, mit österreichischen Traditionsbäckern zu kooperieren. „Wir arbeiten mit vielen Garanten für Produktqualität – wie Sie es nennen – zusammen. Diese Bäcker produzieren nach traditionellen Herstellungsverfahren und -methoden und liefern die Ware täglich frisch an uns”, so Hofer.

Erreichbarkeit und Beliebtheit

Auf Platz zwei der Umfrage von meinungsraum landete die Rewe-Tochter Billa. „Brot und Gebäck ist eine wichtige Warengruppe für die Rewe International AG. Wir sind mit der Entwicklung sehr zufrieden. Billa allein bietet durch die Frischeabteilungen etwa 4.500 Mitarbeitern einen sicheren ­Arbeitsplatz”, erklärt Rewe-Sprecherin Lucia Urban. Der Anteil an Ja! Natürlich-Ware sei bei Brot & Gebäck besonders hoch.

„Backstationen gibt es bei der Rewe International AG bereits seit rund zehn Jahren. Die Rewe International AG arbeitet mit rund 200 österreichischen Bäckereien zusammen, die neben tagesfrischem Brot und Gebäck auch diverse tiefgekühlte Produkte liefern”, so Urban weiter. Bei 75% des Aufbacksortiments handle es sich um sogenannte Teiglinge. Urban: „Von unseren Bäckereipartnern bekommen wir Brot und Gebäck entweder fertiggebacken, halbgebacken oder als Teigling.” Auch der Discounter Lidl kommt in der Wiener Umfrage, was die Beliebtheit betrifft, gut weg und landet auf Platz 7. „Bei Lidl Österreich wird flächendeckend mehrmals täglich frisch gebacken – und zwar in allen 205 Filialen österreichweit. Mit dem Start unseres Bake-off-Programms im Jahr 2008 haben wir im heimischen Handel auf einen echten Trend gesetzt”, führt Lidl Österreich Sprecher Hansjörg Peterleitner aus und ergänzt: „Das Segment entwickelt sich nach wie vor sehr gut. Unsere Kunden können in den Lidl-Backshops aus über 30 ofenfrischen Brot- und Gebäcksorten wählen. Unsere Brote sind Großteils AMA-zertifiziert, einige sogar in Bio-Qualität erhältlich.” Top-Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis erklären für Peterleitner die große Nachfrage und das positive Feedback der Kunden: „Frisches Brot und Gebäck spielen sicher auch in Zukunft eine sehr wichtige Rolle in unserem Gesamtkonzept.”
Spar schafft es immerhin auf Platz 8. Laut Spar-Sprecherin Nicole Berkmann sind es aber nicht die Supermärkte, welche eine Bedrohung für die Bäcker darstellen, sondern eindeutig die Discounter: „Industriell gefertigtes Brot aus einer Box. Bei Spar ist das nicht so. Wir haben über 500 regionale Bäcker im Sortiment”, so Berkmann.
Die in Österreich vertretene Discounterkette BackWerk wurde von den Befragten auf Rang 13 gewählt. „Unser Konzept hat sich dabei sowohl im Sortiment als auch im Bereich Ladenbau und Service von einem reinen SB Backwarenhandel hin zum führenden Backgastronomen entwickelt”, fasst das Unternehmen zusammen.
Am besten erreichbar ist für die Befragten in Wien Billa, gefolgt von Hofer und Ströck.

Frische und Geschmack

Laut Marketagent.com legen die Konsumenten beim Kauf von Brot und Gebäck besonders viel Wert auf Frische (55,9%) und den Geschmack (52,4%); das Preis-/Leistungsverhältnis folgt auf Platz drei (45%). Geschmacklich am beliebtesten bei den Befragten sind die Produkte von Joseph Brot vom Pheinsten: 53,6% bewerteten sie mit „sehr geschmackvoll”. Auf dem zweiten Platz folgt das Brot und Gebäck vom Bäcker Ruetz (42,6%) und auf Platz drei Ströck (40,8%).

Die Antworten auf die Frage nach der Beliebtheit verschiedener Brot- und Gebäcksorten zeigt deutlich die drei Lieblings-Mehlsorten der Österreicher: Roggenmehl (64,3%), Weizenmehl (59,1%) und Dinkelmehl (46,3%). Bei der Wahl der Lieblings-Mehlsorten spielt sowohl Geschlecht als auch das Lebensalter eine ausschlaggebende Rolle. Demnach bevorzugen überwiegend Frauen und Konsumenten ab 30 Jahren das Roggenmehl.

Regionalität zieht

Der Trend geht aber auch in Richtung Regionalität – das stellt auch der Discounter Hofer fest: „Einerseits arbeiten die für uns produzierenden Bäcker nach traditionellen Herstellungsverfahren und -methoden (z.B. Natursauerteig und Langzeitführung) und liefern die Ware täglich frisch in unsere Filialen. Andererseits stammen die Rohstoffe zum überwiegenden Teil aus Österreich, jene unserer Bio-Nachhaltigkeitslinie ‚Zurück zum Ursprung' sogar komplett.” Um den Kunden Transparenz zu bieten, weist Hofer auf den Preistafeln für jedes Produkt die genaue Länderherkunft aus.

Auch bei Spar spielt Regionalität eine zentrale Rolle: Über 90% der Brot- und Gebäckspezialitäten kommen aus Österreich. „Österreich verfügt in Relation zu seiner Größe über eine riesige kulinarische Vielfalt. Auch für die vielen Brot- und Gebäcksorten ist Österreich über die Grenzen hinaus bekannt. Wir haben in Vorarlberg ganz andere Spezialitäten als im Burgenland. Dieses über Jahrhunderte gewachsene Handwerk ist wichtiges Kulturgut und darf nicht verloren gehen, dafür setzen wir uns ein”, so Gerhard Drexel, Spar-Vorstandsvorsitzender.

Wie viel landet im Müll?

Von den derzeitigen Back­offensiven vor allem der Diskonter könnten nur die großen Teigling-Produzenten leben. „Dass es zwangsläufig Verlierer geben muss, gerade bei Klein- und Mittelbetrieben, liegt auf der Hand. Daher betone ich, dass wir die Zusammenarbeit mit den großartigen regionalen Bäckern weiterhin stärken und ausbauen”, so Drexel und weiter: „Als einer der größten Player im Lebensmittelhandel haben wir auch Brot und Gebäck in den Regalen, das wir aus Teiglingen je nach Bedarf mehrmals am Tag in den Spar-Märkten aufbacken.”

Zum Thema Wegwerfmentalität ergab die Studie von Marketagent, dass im Schnitt zwei Stück Brot bzw. Gebäck pro Woche in den Müll geworfen werden. Etwa jeder zweite Brot-Konsument (46,4%) gibt an, kein Brot oder Gebäck ­wegzuschmeißen. (jp)

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