Anleihenmärkte zeigen sich derzeit „bearish”
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FINANCENET reinhard krémer 19.06.2015

Anleihenmärkte zeigen sich derzeit „bearish”

Damoklesschwert Von einem Bärenmarkt für Bonds sprechen die einen Kapital­marktexperten, denn je näher eine US-Zinserhöhung rückt, umso wahrscheinlicher steigen Anleihen-Renditen und fallen die Kurse. Andere wiederum erwarten nur langsame Änderungen der Rahmenbedingungen.

Frankfurt/New York. Nach dem brutalen Absturz der Weltbörsen zu Beginn der Finanzkrise stellten sich zerzauste Investoren bald die Frage: Wohin mit dem Geld? Und weil Sicherheit damals besonders groß geschrieben wurde, begann eine noch nie dagewesene Flucht in Anleihen. Besonders jene von als sicher geltenden Staaten wie zum Beispiel Deutschland waren heiß begehrt.

Kein Wunder, dass der Bund-Future-Index, mit dem sich der Anleihe-Wert deutscher Bundesanleihen messen lässt (er wird vom erwarteten Zinsniveau getrieben: Der Kurs des Bund-Future steigt, wenn niedrigere Zinsen erwartet werden.und umgekehrt; Anm.), seit 2008 von 110 auf 160 Indexpunkte anstieg.
Mit jeder Zinssenkung der Europäischen Zentralbank klatschten sich all jene in die Hände, die bereits eingestiegen waren, als es Zinsen noch gab, denn der Wert ihrer Papiere zog stets nordwärts.

Der Zug fährt nach Süden

Seit März geht es jedoch bergab; auch der Global Government Index von Bank of America Merrill Lynch hat seit Ende März 2,9 Prozent verloren. Das sorgt für Nervosität am Markt; besonders, als dann noch Bond-Guru Bill Gross eine Spekulation auf einen fallenden Bund als „short of a lifetime” bezeichnete (inzwischen gab er zu, dass seine Spekulation nicht besonders gut funktioniert hat; von Marktmanipulation, die hier durchaus diskussionswürdig gewesen wäre, war allerdings nie die Rede; Anm.).
Und so hängt über Anlegern das Damoklesschwert einer sich ändernden Marktsituation. Denn eines ist klar: Wenn die Zinsen nicht mehr fallen können, bleibt nur mehr eine Richtung offen – nach oben. Dann werden die Papiere mit niedrigen Zinsen an Wert verlieren. Die Frage ist nur: Wann?

Ungeliebter Meister Petz

„Wir sind in einem Bärenmarkt für Bonds angekommen”, meinen Experten wie Shane Oliver, Leiter Anlagestrategie bei AMP Capital Investors in Sydney. „Die Deflationsängste ebben weiter ab, und die Federal Reserve rückt einer Zinserhöhung näher. Das lässt steigende Renditen erwarten.” Dem widerspricht David Zahn vom Fondsriesen Franklin Templeton. Er ist überzeugt: „Es gibt gute Gründe für die optimistische Annahme, dass die Eurozone den Bären einen Schritt voraus ist. Vor einem generell positiven Hintergrund und bei laufendem QE-Programm bieten europäische Anleihen, insbesondere Anleihen der sogenannten Peripherie – die stärker verschuldeten und weniger wohlhabenden Länder der Eurozone – unserer Meinung nach bei dem aktuellen Renditeniveau einen guten Wert. Die Kernstaaten bieten in unseren Augen weniger Wert, aber immer noch mehr als im April.” Es scheint aber durchaus möglich, so Zahn, dass die Märkte in Europa auch weiterhin etwas volatiler bleiben könnten – zumindest kurzfristig.

Kräftige Gewitter im Mai

Dem stimmt auch Christian Heger, Chief Investment Officer bei HSBC Global Asset Management, zu: „Der Mai hat Rentenanleger unangenehm überrascht”, meint er. „In der Tat gibt es einige fundamentale Argumente für steigende Zinsen. So hat nicht nur das Wachstum der Eurozone im ersten Quartal positiv überrascht, auch die Inflationsrate scheint ihren Tiefpunkt durchschritten zu haben.”
Bei genauerer Betrachtung ist jedoch allzu viel Optimismus verfrüht, meint der HSBC-Experte: „Der Ölpreisrückgang und die kräftige Euroschwäche sind einmalige, kaum wiederholbare Wachstumshelfer. Die Reformen in Italien und Frankreich kommen nur langsam voran. Die Stimmungsindikatoren im Industrie- und Dienstleistungssektor fallen wieder schwächer aus.”

Wenig Spielraum in den USA

2015 könnte die Wirtschaft der Eurozone zwar tatsächlich mit gut 1,5 Prozent Wachstum überraschen. Prognosen von einer Beschleunigung für 2016 haben jedoch kaum eine realistische Basis. „Die EZB hat daher bereits deutlich gemacht, dass sie ihr monatliches 60-Milliarden-Euro-Kaufprogramm konsequent fortsetzt. Auch in den USA bleibt der Spielraum für steigende Zinsen in den Augen von Heger begrenzt. „Die Korrektur an den Anleihemärkten markiert keinen nachhaltigen Trendwechsel. Die expansive Geldpolitik setzt sich fort, zunehmend auch in Asiens Schwellenländern”, davon ist Christian Heger überzeugt.

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