Countdown zum nächsten Börsecrash
© AFP/Kena Betancur
FINANCENET Andre Exner 05.05.2017

Countdown zum nächsten Börsecrash

Die Börsenparty könnte bald für Katerstimmung sorgen, warnen Experten. Der orange Rabauke als Auslöser?

••• Von Andre Exner

WIEN. „Sell in may and go away”? Noch scheint nichts auf ein Ende der Börsenparty hinzudeuten – die Kurse steigen und steigen. Allerdings melden sich nun erste kritischen Anlage­experten zu Wort. „Es könnte den Anschein haben, dass sich die Welt auf einem unaufhaltsamen Wachstumspfad befindet. Mein Team und ich sind jedoch der Meinung, dass es wichtig ist, sich bewusst zu bleiben, dass in Aktien und Anleihen eine zu große Hoffnung eingepreist ist”, sagt Ariel Bezalel, Chefstratege von Jupiter Asset Management.

Überzogene Erwartungen

Vor allem aus den USA sieht er dichte Wolken aufziehen: Die Lücke zwischen der Erwartungshaltung der Märkte und den tatsächlichen Auswirkungen der wirtschaftsfreundlichen Pläne von Präsident Trump dürfte größer sein als viele annehmen.

„Erstens glauben wir, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass Trumps Hunderte Milliarden USD schweres Konjunkturpaket durch den Kongress kommen wird, ohne verwässert zu werden”, zählt Bezalel auf. „Zweitens gibt es Anzeichen dafür, dass seine Steuerreform auf 2018 oder 2019 vertagt wird. Drittens haben wir bemerkt, dass sich die Vorgaben für neue Kredite bei Banken in den USA verschärfen. Das hat ein langsameres Kreditwachstum zur Folge, was die US-Wirtschaft und damit über Umwege auch China und Europa einbremst.”
Für James Swanson, Gründer der Fondsgesellschaft MFS Investment und Börseexperte beim Fernsehsender CNBC, ist nicht nur Trump der Risikofaktor Nummer eins: „Wenn die Märkte dieses Jahr ins Schlingern geraten, dürfte der Auslöser nicht eine unerwartete politische Entwicklung sein. Eher schon könnte es daran liegen, dass der seit drei Quartalen gleichmäßig steigende Welthandel wieder schrumpft”, meint Swanson.

Schnäppchenjagd ist vorbei

Neben den USA sieht er auch in Europa sowie in China Anzeichen dafür, dass der Konsum einbricht. „Steigende Margen waren der wichtigste Grund für die achtjährige Aktienhausse”, sagt Swanson: „Wenn die Kurs-Gewinn-Verhältnisse und die Kurs-Umsatz-Verhältnisse von Aktien niedrig sind, können Investoren auch mit Enttäuschungen fertig werden. Doch inzwischen sind die Zeiten günstiger Bewertungen lange vorbei. Die hohen Bewertungen lassen nun befürchten, dass Investoren mit jedem weiteren Kursgewinn in größere Gefahr geraten.”

Auch Dieter Wermuth, Ökonom und Chef von Wermuth Asset Management, rät dazu, angesichts der heutigen Bewertungen keine ­Aktien mehr zu kaufen. „Das Risiko überwiegt: Seit Jahresbeginn haben bis auf Japan alle wichtigen Märkte zwischen fünf und zehn Prozent zugelegt und damit sind sie nicht mehr günstig”, meint Wermuth. „Diese fast außerirdischen Bewertungen sind nur dann gerechtfertigt, wenn die Anleihenmärkte weiterhin unter Druck bleiben. Sobald sich das ändert, fallen die Risikoprämien in den Keller – und mit ihnen die Aktienkurse.” Wie wusste schon Bergsteiger Reinhold Messner? Mit jedem Schritt in Richtung Gipfel steigt das Risiko.

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