Der Parforceritt der SNB
FINANCENET reinhard krémer 23.01.2015

Der Parforceritt der SNB

Frankenkrise Österreich am meisten von allen EU-Ländern betroffen; Experten raten: Kontakt zur Bank suchen

Christine Lagarde, IWF, setzt auf Beruhigung; Franz Rudorfer, WKO, sieht keinen Grund zur Panik.

Wien. Der Chef der Schweizer Swatch-Gruppe, Nick Hayek, brachte die Aktion der Schweizerischen Nationalbank SNB, die starre Wechselkursbindung zum Euro zu kippen, mit einem Satz auf den Punkt: „Was die SNB da veranstaltet, ist ein Tsunami!”

Seit letzten Freitag ist ein Teil der Finanzwelt in Europa aus den Fugen geraten, denn Frankenfinanzierungen gibt es nicht nur in Österreich, wo noch im Frühjahr 2014 rund 35,6 Mrd. Euro aushafteten (davon 24,9 Mrd. bei Privathaushalten), sondern auch in Polen mit 34 Mrd. und Frankreich mit 21,2 Mrd. Euro. In Deutschland sind bei zehnmal so vielen Einwohnern 14,9 Mrd. Euro an Franken-Krediten vergeben, in Ungarn 12,6 Mrd. Euro, in Griechenland 8,6 Mrd., in Luxemburg 5,7 Mrd., in den Niederlanden 3,1 Mrd. und in Italien drei Mrd. Euro, wie Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigen.

Kalte Füße bekommen

Es war die Angst vor weiteren Engagements, die SNB-Boss Thomas Jordan kalte Füße bekommen ließen. Denn 2014 hatte die SNB Devisenreserven in Höhe von 525 Mrd. Franken in ihrer Bilanz. Das entspricht 85 Prozent des eidgenössischen Bruttoinlandsprodukts. Allein im Jänner hätte die SNB für 100 Mrd. Franken am Markt eingreifen müssen. Dabei hatte sich das Halten des Mindestkurses zuletzt als Geschäft entpuppt. Denn nach einem Verlust im Vorjahr hat die SNB im Jahr 2014 einen Überschuss von 38 Mrd. Franken erzielt, wie aus der erst vor 14 Tagen veröffentlichten Bilanz hervorgeht. Davon entfielen neun Mrd. Franken auf Zins- und Dividendenerträge, 13 Mrd. auf Kurserfolge und immerhin satte 12 Mrd. Franken auf Wechselkursgewinne. Inzwischen hat Jordan zu Hause wenig zu lachen: Man wirft ihm vor, den Status der Schweiz als reichstes Land der Welt mit 784 Mrd. Franken Netto-Auslandsvermögen verzockt zu haben: Mit der Aufgabe des Mindestkurses schrumpfte in Minuten es auf rund 420 Mrd. Diese Zahlenspiele helfen leidgeprüften Frankenkreditnehmern wenig. Beruhigender ist da schon die Aussage von Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF): Sie hofft auf eine baldige Beruhigung der Märkte. Im Moment sei die Lage unberechenbar, sagte sie am Dienstag. Sie hoffe aber, dass die große Volatilität bald vergessen sei.

Tenor „Keine Panik!”

Darauf setzt auch Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundes-sparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Er meint: „Kein Grund zur Panik!” Die WKO ist hier, so Rudorfer, einig mit allen, dass es sinnvoll ist, erst einmal den Kontakt mit der Bank zu suchen. „Das gilt auch für Unternehmen; bei ihnen ist der Anteil an Franken-Finanzierungen ein kleiner und meist Teil eines Gesamtkonzepts.” Für Firmen sei der Kontakt zur Bank aber ohnehin Teil der Unternehmens-Routine.Die Fälligkeit der Frankenkredite, erläutert Rudorfer (er beruft sich dabei auf Zahlen der Finanzmarktaufsicht; Anm.), liege bei 15 Prozent in fünf Jahren. 22 Prozent werden in den nächsten 5 bis 10 Jahren abreifen; 25,8 Prozent in 10 bis 15 Jahren, 29,7 Prozent in 15 bis 20 Jahren. Die restlichen rund 3,5 Prozent werden zu einem noch späteren Zeitraum fällig.

Keine Verluste realisieren

Auch der Obmann der steirischen Finanzdienstleister in der Wirtschaftskammer, Hannes Dolzer, rät in einem ORF-Interview von Panik ab: Kreditnehmer, die Franken-Kredite mit einer Laufzeit von noch 15 bis 20 Jahren haben, sollten die Situation wesentlich gelassener betrachten. Bei Krediten mit Restlaufzeiten von drei bis fünf Jahren könne es sein, dass ein Umstieg auf einen Euro-Kredit ratsamer wäre, so Dolzer. Gottfried Haber von der Donau-Universität Krems und Mitglied des Generalrats der Oesterreichische Nationalbank (OeNB), rät Betroffenen, erst einmal abzuwarten und nicht in Panik einen Verlust zu realisieren, der vielleicht noch geringer werden kann. Das Sozialministerium rät daher Konsumenten, aber auch den Banken, keine übereilten Schritte zu setzen. Drohungen, den Kredit zwangsweise in Euro zu konvertieren, fällig zu stellen oder die Forderung einer Nachbesicherung, sind laut Arbeiterkammer (AK) Wien nicht gerechtfertigt. Bei der Erste Bank erwartet man, dass sich der Franken bei 1,10 bis 1,12 einpendelt. Andere sehen den fairen Wechselkurs zwischen 1,13 und 1,25 Franken pro Euro.

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