Die Kunden geben Weg im Retail-Banking vor
© Erste Bank/David Sailer
Erste-Bank-Vorstand Peter Bosek: „Die Kunden wollen alle Kanäle nutzen.”
FINANCENET kurt sattlegger 22.05.2015

Die Kunden geben Weg im Retail-Banking vor

Erste Bank Neues Filialkonzept, neue Online-Strategie und die Konzentration auf Gründer und Start-ups

„George” hat schon mehr als 200.000 Nutzer, User-Ideen und -Vorschläge werden bereits umgesetzt.

Wien. Es sind wahrlich keine einfachen Zeiten für Retail-Banken: Reine Online-Banken jagen preisbewusste Kunden ab und das gegenwärtige unterirdische Zinsniveau macht das Geldverdienen nicht gerade einfach. Die Erste Bank will dem mit einer Mehrfach-Strategie begegnen: ein neues Filial-Konzept, eine innovative Form des Online-Bankings und die Konzentration auf Start-ups und Gründer.

In Möbel gegossene Strategie

In Wien-Floridsdorf hat die Erste ihre Vorstellungen einer modernen Bankfiliale verwirklicht. 2,5 Mio. Euro wurden in den Umbau investiert, entstanden ist eine Bank mit ungewöhnlichem Ambiente: ein offener Raum mit zentralem Desk, von dem aus Kunden in die richtige Ecke gelotst werden, komfortable Möbel. Die Kassen sind ganz hinten, Beratung findet im lockeren Umfeld oder diskret in einem der oberen Besprechungszimmer statt.
„Eine in Möbel und Videowalls gegossene Strategie”, nennt das Vorstand Peter Bosek. 75 Mio. Euro möchte die Erste bis 2019 in den Umbau weiterer Filialen investieren. Gleichzeitig wird die Mitarbeiterausbildung reformiert: „Es wird mehr Niveau erwartet, die Ansprüche werden höher”, meint Vorstandsvorsitzender Thomas Uher. Die Zahl der Filialen, die in den letzten Jahren um etwa ein Drittel gesenkt wurde, liegt jetzt in Wien bei 102; möglich, dass noch die eine oder andere wegfällt, denn, so Bosek: „Wir sind kein Immobilienunternehmen.” Die Gesamtstrategie: Der Kunde soll jeden Tag die Möglichkeit haben, sich für eine Vertriebsschiene zu entschieden: moderne Filiale mit hoher Beratungsqualität, großer Selbstbedienungsbereich oder Online-Service. Die Festlegung der Kunden auf nur einen Kanal sei passé.

Kunden wollen alle Kanäle

Damit liegt man genau auf der Linie, die sich aus einer Studie des Finanz-Marketing Verband Österreich ergab: Vier von fünf Konsumenten informieren sich demnach im Internet, aber 73% möchten den Verkaufsabschluss nicht online durchführen. Laut einer Studie der ING International Survey liegt Österreich mit einem Online-Anteil von 48% Kunden unter dem Europaschnitt von 53%; 14% gaben an, in Zukunft online zu gehen.
Aber alle, meint Bosek, egal ob sie das Online-Service nutzten oder nicht, bräuchten gute Beratung.

George: 200.000 Nutzer

Sehr zufrieden zeigt sich Bosek mit der Entwicklung des Online-Angebots, genannt „George”. Es wachse schneller als gedacht: „In nur vier Monaten ist die 200.000er- Marke gefallen.” Seit dem Launch im Jänner wurden mit George über 600 Mio. Euro in etwa einer Mio. Transaktionen bewegt. Interessant ist dabei der relativ hohe Altersschnitt der Anwender; er liegt bei 39 Jahren, jeder fünfte ist älter als 50.
George ist modular aufgebaut, und Nutzer können über Plug-ins ihr digitales Banking individuell gestalten. Bisher hat bereits etwa jeder Fünfte sein Banking mittels Plug-in erweitert.
Das Online-Service ist dabei offen für Verbesserungsvorschläge der Nutzer. Mehrere Hundert Kunden haben ihre Ideen und Vorschläge zur Weiterentwicklung bereits eingebracht, viele davon wurden auch schon umgesetzt.
„Der wesentliche Unterschied zu früher ist, dass die Kunden den Weg vorgeben. Nur so können wir im digitalen Bereich unsere Spitzenposition weiter ausbauen”, meint Bosek.

Fokus auf Start-ups

Freilich: viel Geld lässt sich im Privatkundengeschäft im gegebenen Zinsumfeld nicht verdienen. Allerdings meint Bosek, es werde bei Krediten keine Zinsen unter 0% geben, auch wenn die Leitzinsen weiter in den negativen Bereich rutschen sollten.
Potenzial sehen die Erste-Vorstände aber im Start-up-Bereich und bei klassischen Gründern. Zwei Gründer würden pro Tag im Wiener Gründerzentrum der Erste finanziert, meint Bosek. Die Ausfallsquote liege hier mit 2% im vertretbaren Bereich. Und die Start-up-Szene komme in Wien gut in Schwung; hier will die Erste verstärkt mitspielen. So sei etwa ein kombinierte Finanzierung aus Crowd-Funding und zusätzlichem Bankkredit interessant.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL