Fading Glory – Bawag will fest von Bank Austria abbeißen
© fischka.com/Bank Austria
FINANCENET 30.10.2015

Fading Glory – Bawag will fest von Bank Austria abbeißen

Die Bawag PSK zeigt Interesse an der Privatkundensparte der Bank Austria. Die Folgen des Deals sind nicht ohne.

••• Von Thomas Müller

WIEN. Ein „Erdbeben” in der heimischen Bankenszene kündigte Die Presse vor Kurzem an, als ein Gerücht die Runde machte: Die UniCredit habe vor, das Privatkundengeschäft der Österreich-Tochter Bank Austria zu verkaufen, und die Bawag PSK stehe für eine Übernahme bereit.

Ohne Zweifel eine Erschütterung im bisher wenig dynamischen ­Retail-Bereich, und nicht nur den fachkundigen Beobachtern war natürlich sofort klar, dass der Deal nur dann sinnvoll ist, wenn Standorte en masse geschlossen werden.
Allerdings suggeriert die schiere Größe der Bank Austria mit einer Bilanzsumme von rund 190 Milliarden Euro auf den ersten Blick ein weit größeres Gewicht bei den Privatkunden, als es dem zweiten Blick standhält. In Österreich sind es nämlich noch gerade einmal 210 Filialen von insgesamt mehr als 4.000 und deren Beitrag zur Bilanzsumme beträgt überschaubare 20 Milliarden Euro.
Schwerer wiegt da schon, dass die UniCredit auch das Osteuropa-Geschäft aus Wien nach Mailand abziehen will, das bis zu 75 Milliarden Euro Volumen ausmacht. Im März 2016 läuft nämlich der „Bank-der-Regionen-Vertrag” aus, der 2001, bei der Privatisierung der Bank Austria, unterzeichnet wurde.
Dieser sicherte der Bank Austria das einst florierende Ostgeschäft. Statt Dividenden abzuholen, musste der Mutterkonzern seit dem Jahr 2010 aber insgesamt 4,4 Milliarden Euro nach Wien schicken – unter anderem, um die Ukraine-Tochter zu stützen.
Von der Bank Austria bleibt nach dem Abverkauf wahrscheinlich nur das lukrative Großkundengeschäft übrig. Die Immobilien-Investments werden bereits seit Längerem nach und nach verkauft. (Details zum kürzlich fixierten Verkauf des Einkaufszentrums „Wien Mitte – The Mall” können Sie im real:estate in dieser Ausgabe nachlesen.) Mehr Klarheit über das Schicksal der Bank gibt es wohl erst am 11. November, wenn UniCredit-Chef ­Federico Ghizzoni mit der neuen Konzernstrategie an die Öffentlichkeit gehen wird. Dem Vernehmen nach wünscht sich der österreichische Vorstand den Deal mit der Bawag PSK nicht, wurde kolportiert.

Zu viel, zu teuer

Wie auch immer diese Geschichte ausgehen wird, die langfristigen tektonischen Bewegungen bei den heimischen Retail-Banken zeigen insgesamt in eine klare Richtung. Die traditionell sehr hohe Filialdichte nimmt seit den 1990er- Jahren stetig ab: 1.700 Einwohner kamen 1997 hierzulande auf eine Bankfiliale, heute sind es rund 2.000.

Damit nähert sich Österreich langsam dem europäischen Schnitt von 2.300 an. Das macht sich auch im Stadtbild bemerkbar, wenn die Bank ums Eck zusperrt und ein ganzes Viertel plötzlich ohne Bankomat dasteht. Bis zu einem Drittel des Filialbestands werde noch in den nächsten Jahren verschwinden, schätzen Branchenexperten.
Zu einem vorübergehenden kleinen Zuwachs führte zuletzt die Umstrukturierung bei der Bawag PSK, die zahlreiche neue Standorte in der Doppelfunktion als Post- und Bankfilialen eröffnete.
Gleichzeitig wurde heuer die hauseigene Fondsgesellschaft an den französischen Finanzriesen Amundi verkauft und damit die Konzentration auf das Kerngeschäft mit Verve vorangetrieben.
Für den Bawag-Eigentümer ­Cerberus würden die Retail-Kunden der Bank Austria daher eine willkommene Aufwertung bedeuten, denn der US-Hedgefonds will möglichst bald mit Gewinn wieder aus dem Investment aussteigen. Der Ertrag aus dem Kundengeschäft der bestehenden 480 Filialen ist offenbar noch nicht attraktiv genug. Darauf deutet auch der Retail Banking Radar 2015 der Unternehmensberater von A.T. Kearney hin, der den österreichischen Retailbanken für 2014 im Schnitt weniger als 600 Euro Ertrag pro Kunde attestiert, wenn auch mit leicht steigender Tendenz. (Zum Vergleich: Der europäische Durchschnitt liegt mit 644 Euro klar über diesem Wert.)
Zudem arbeiten Österreichs Banken noch immer etwas teurer als anderswo. Trotz Kosteneinsparungen durch weniger Personal und weniger Filialen liegt die Cost-to-Income-Ratio hierzulande bei 71 Prozent, während die Spitzenreiter Spanien und die skandinavischen Länder auf unter 50 Prozent kommen. Beim Gewinn pro Kunde ist Österreich mit 84 Euro sogar das Schlusslicht unter den westeuropäischen Staaten, wenn auch die Situation um Längen um Einiges besser ist als in Italien, wo unterm Strich sogar 280 Euro Verlust herauskommen.

Unzufriedene Jugend

Zu allem Überfluss sinkt die Zufriedenheit der Kunden, wie der World Retail Banking Report 2014 herausgefunden hat, der vom Beratungsunternehmen Capgemini und dem europäischen Branchenverband EFMA erstellt wurde. 17.000 Bankkunden aus 32 Ländern wurden dafür befragt.

Fast 43 Prozent gaben in Österreich an, in den vergangenen zwölf Monaten positive Erfahrungen mit ihrer Bank gemacht zu haben, allerdings sind das 12 Prozentpunkte weniger als 2013.
Gute Erfahrungen sind aber Voraussetzung für die Treue zur Bank und für das Weiterempfehlen im eigenen Umfeld, wie ebenfalls festgestellt wurde. Für die Banken sollten die Ergebnisse daher ein Warnsignal für die Zukunft sein, ­schließen die Studienautoren daraus.
Als eines der Hauptprobleme wurden etwa die unterlassenen Investitionen in das Back Office genannt, die dann zu einem mangelhaften Kundenservice führen. Negative Erfahrungen sind dann geradezu eine Einladung an alternative Dienstleister wie Online-Bezahlservices, mit denen traditionelle Banken umgangen werden.
Gerade die sogenannte Generation Y, die mit dem Internet aufgewachsen ist, stellt höhere Ansprüche an Online-Services, als die Älteren. Hier sieht der World Retail Banking Report auch überdurchschnittlich viel Unzufriedenheit und eine steigende Bereitschaft, die Hausbank zu wechseln.

Total digital

Bei der Digitalisierung sollten die Banken auch in Zukunft ansetzen und sich vom traditionellen Vertriebsmodell in den Filialen lösen, empfehlen die Berater von A.T. Kearney. Digitales Bezahlen, Mobile Banking, Online Investing und Peer-to-Peer-Kredite sind hier einige der Schlagworte. Das würde auch die nötigen Effizienzsteigerungen bringen, die das Retail-Geschäft wieder ertragreicher machen könnten.

Daniela Chikova, Partnerin bei A.T. Kearney und Co-Autorin der Banken-Studie, mahnt zur Eile: „Ein Umsteuern ist dringend erforderlich. Der Umbau im Retail Banking gewinnt in Europa bereits an Geschwindigkeit. Beispielhaft seien Mobile Banking-Angebote genannt. Österreich droht hier den Anschluss zu verlieren.”
Capgemini rät zusätzlich zu mehr Engagement beim Thema ­Social Media, denn fast 90 Prozent der Bankkunden weltweit haben bereits einen oder mehrere Accounts bei Facebook, Twitter und Co. Zehn Prozent nutzen diesen auch, um ihr Bank mindestens ein Mal in der Woche zu kontaktieren. „Banken sind nicht länger nur eine reine Niederlassung, in die Kunden gehen. Sie sind eine Ansammlung von Dienstleistungen, die überall und jederzeit verfügbar sind”, bringt es Patrick Desmarès, Generalsekretär der EFMA, auf den Punkt.

Think big!

Ein durchaus physisches Konzept wird gerade von der Erste Group ausgerollt. Im Mai dieses Jahres wurde in Wien-Floridsdorf ein erstes Beratungszentrum neuen Typs mit 1.200 m2 auf drei Stockwerken eröffnet. Dort stehen insgesamt 45 Bankberater zur Verfügung, die aber nicht an Schreibtischen sitzen, sondern sich mit Laptops in den loungeartigen Räumen bewegen.

Dorthin sollen die Kunden nur kommen, wenn eine längere Beratung erforderlich ist. Bis Ende 2015 werden zehn dieser Riesenfilialen eröffnet, insgesamt sind bundesweit 30 in Planung. Im ländlichen Raum sollen auch so genannte Meeting Points, etwa in Gemeindeämtern, eingerichtet werden.
Vielleicht sieht so die Bankfiliale der Zukunft für den urbanen Raum aus, während sich am Land die lokalen Raikas noch eine Weile halten können. Auf die Provinz hat es mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Bawag PSK abgesehen, wie die Werbelinie mit Dorfszenen vermuten lässt.
Von den Bank-Austria-Filialen bleibt in diesem Szenario wohl nur mehr die Erinnerung an das erste Schulsparbuch bei der Zentralsparkasse.

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