Ländliche Lebensart
© Privat
Leopold Figl mit Ehefrau Hilde, Tochter Anneliese und Sohn Hans in der Bauernstube in seiner Wiener Wohnung, 1952.
FINANCENET 27.11.2015

Ländliche Lebensart

Von wegen armes Landvolk! Antike Bauernmöbel begeistern auch Großstadtmenschen und steigen langsam, aber stetig im Wert.

••• Von Marie-Thérèse Hartig

Wenn’s draußen dunkel und nasskalt wird, konzentriert sich das Familienleben in der warmen Stube. Idealerweise flackert im offenen Kamin ein romantisches Feuer, auf dem großen Holztisch werden Kekserln geformt, Geschenke eingepackt und Freunde bewirtet. Klar geht das auch auf dem ultramodernen Designer-Glastisch, aber stimmungsvoller ist’s doch auf einer glänzenden, am besten jahrhundertealten Holzplatte.

Die Besinnung auf traditionelle Werte mag mit ein Grund dafür sein, dass sich alte Bauernmöbel auch bei jungen Leuten großer Beliebtheit erfreuen. Zwar beklagt Kurt Lettner, seit Jahrzehnten begeisterter Sammler und Sachverständiger für Bauernmöbel, dass die Nachfrage nach Antiquitäten seit Jahren sinkend sei, „weil die Generation der Sammler und Liebhaber alter Kunst ausstirbt und kein neues Publikum mehr nachwächst”. Allerdings, so relativiert der Experte, sei „die Nachfrage nach Spitzenobjekten langsam, aber stetig steigend”.”

Erstklassiges für Zweitwohnsitze

Ulrich Prinz, Möbel-Experte im Dorotheum, sieht die Gesamtsituation ähnlich, wenn auch etwas positiver: „Vor zehn Jahren haben wir eine Talsohle durchschritten. Seither verzeichnen wir aber in jeder Auktion herausragende Einzelergebnisse für Originalstücke mit besonderer Ausstrahlung.” Dafür dürften nicht zuletzt die wohlhabenden Bewohner mondäner Skiorte verantwortlich sein, die ihren Zweitwohnsitz stilvoll und regional passend möblieren wollen. Was nicht heißt, dass jede Kitzbüheler Wohnung aussehen soll wie ein Volkskunst-Museum. „Viele Großstadtmenschen suchen heute bewusst den Kontrast zwischen modernen, urbanen Designerstücken und rustikalen Solitärmöbeln, etwa einem bunt bemalten Bauernschrank oder einer marmorierten Holztruhe”, weiß Prinz. So sei etwa der verstorbene Augenarzt Rudolf Leopold, der vor allem auf Kunst des 20. Jahrhunderts spezialisiert war, auch ein begeisterter Sammler von antiken, alpenländischen ­Möbeln gewesen.

„Die meisten unserer Sammler sind Akademiker aus dem naturwissenschaftlichen Bereich und meist verfügen sie über großes Know-how. Viele sammeln zum Beispiel nur Stücke aus einem Umkreis von 50 Kilometern.”
Genau darin liegt laut Prinz auch eine Besonderheit bei Bauernmöbeln: Kein anderes Möbel lässt sich sowohl geografisch als auch zeitlich dermaßen genau zuordnen. So kann man beispielsweise im Zillertal sogar zwischen den beiden Talseiten differenzieren: Links verwendeten die Werkstätten blaue Farbe, rechts grüne; dazu kommt, dass die meisten Stücke kunstvoll datiert wurden und die kulturhistorisch „wichtigen” Gegenden für Bauernmöbel überschaubar sind.
„In reichen Gegenden, wo es eine Hof-Erbfolge gab, hatten die Möbel auch repräsentativen Charakter”, erklärt Prinz. In strukturschwachen Gebieten wie etwa dem Burgenland mit seinen kleinen Bauernhäuschen musste das Inventar hingegen billig und funktional sein.
Materialmangel stellte im 16. und 17. Jahrhundert, als die Ära der klassischen Bauernmöbel begann, allerdings ein generelles Problem dar. Daher versuchte man, durch Bemalen des einfachen Holzes andere, teurere Materialien zu imitieren, sehr häufig Marmor oder Goldfassungen, oft aber auch nur edlere Holzarten wie Nuss- oder Palisanderholz.
Trotz diesen Trompe-l’oeil-Bemühungen, also maltechnischen Versuchen, das Auge des Betrachters zu täuschen, definiert Prinz Bauernmöbel als „ganz ehrliche, schlichte Arbeiten ohne Schnickschnack. Deshalb passt ein schlichter Jogl-Tisch gut als Solitärstück zwischen moderne Möbel.” Auch rustikale Kindersachen wie hölzerne Schaukelpferde, Wiegen oder Schlitten zieren heute so manche zeitgenössisch gestylte Großstadtwohnung.
Die Tatsache, dass sie sichtlich alt und abgenützt sind, erhöht noch den Kontrast zum Design-Perfektionismus – und den Wert der rustikalen Antiquitäten.

Was den Preis bestimmt

„Für den Kurswert eines Bauernmöbels sind mehrere Faktoren entscheidend”, verrät Lettner: „Erstens die Zuschreibung an einen bekannten Meister und seine Werkstätte, zweitens die Provenienz aus einer bedeutenden Sammlung, drittens die Dokumentation des bäuerlichen Objekts – Kasten, Truhe oder Bett – in der Literatur (zum Beispiel in Franz C. Lipps Klassiker „Oberösterreichische Bauernmöbel”) und viertens seine Entstehung in einer bedeutenden Möbellandschaft wie Oberösterreich (Gunskirchen, St. Florian, Linz, Lambach, Hirschbach), Salzburg (Pinzgau), Tirol (verschiedene Täler, Alpbach, Paznaun) und Vorarlberg (Bodensee und Bregenzerwald).”

Dass auch der Erhaltungs­zustand ein entscheidendes Preis-Kriterium darstellt, versteht sich von selbst. „Blankholzmöbel zum Beispiel aus dem Pinzgau werden derzeit gesucht, wenn diese aus Zirbenholz sind und die Oberfläche die alte Patina zeigt”, berichtet Lettner. „Auch auf das Schnitzwerk ist zu achten, und ob der Aufsatz zugehörig ist.” Neben der Außengestalt des Möbels sei auch die Inneneinrichtung zu relevant, Beschläge und Eisenwerk wie Türbänder, Schlösser und Schlüssel müssen original sein.

Restaurierungen mindern Wert

Denn Restaurierungen, egal wie kunstvoll, mindern den Wert eines Stücks. „In den 60er- und 70er-Jahren ist leider viel ruiniert worden, indem abgeschlagene oder abgeriebene Stellen übermalt wurden. Diese gut gemeinte Ausbesserung beeinträchtigt heute den Preis”, konstatiert Dorotheum-Profi Prinz.

Das gilt auch für die zu erwartenden Wertzuwächse: „Nur originale Möbel mit geringfügigen Restaurierungen – fünf bis zehn Prozent in Malerei und Korpus – lassen einen Wertzuwachs erwarten”, warnt Lettner vor unrealistischen Vorstellungen. „Hier ist die Beiziehung eines Sachverständigen zu empfehlen, der eventuelle Ergänzungen und Restaurierungen feststellen kann.”
Allerdings erzielen selbst bestens erhaltene Bauernschränke niemals die gleichen Preise wie Barock- oder Renaissancekästen, obwohl diese im Gegensatz zu den stabil steigenden Bauernmöbeln seit einigen Jahren rückläufig sind. So liegt der Rekord im Dorotheum seit 2007 bei 85.700 €, die ein musealer Pinzgauer Zirbenholzschrank aus dem Jahr 1775 einspielte, der heute in einer Wohnung in Kitzbühel steht, ein anderer ziert ein New Yorker Loft. „Bauernmöbel sind vielleicht nicht so kapital­trächtig, aber sie machen sehr viel mehr Spaß”, meint Prinz, „nicht zuletzt deshalb, weil sich für jede Brieftasche etwas findet.”

Raritäten, Klassisches, Skurriles

Demnächst gibt’s wieder eine Gelegenheit zum Mitsteigern: Am 9. Dezember kommen im Wiener Palais Dorotheum mehr als 360 Stücke zur Auktion – von klassischen Bauernmöbeln bis zu zeitgenössischem Landhausstil. Übrigens heißt die Sparte, die in dieser Form weltweit einzigartig sein dürfte und regelmäßig Verkaufsquoten um die 70 Prozent erzielt, seit Kurzem auch offiziell „Bauern- und Landhausmöbel”, damit nicht immer nur Assoziationen mit bemaltem Holz geweckt werden. „Es gibt ja auch wunderschöne, rustikale englische und französische Möbel aus massiver Eiche oder Mahagoni, mit glänzender Patina; die haben mit ländlich-naiver Malerei ebenso wenig zu tun wie mit Massenmöbeln von heute”, schwärmt Prinz, „und vielleicht kommt ja bald wieder der Trend zu britischem Countrystyle.” Der Experte selbst spekuliert jedenfalls darauf und hat sein Wochenendhaus im Südburgenland wie ein englisches Cottage möbliert. Wer will, kann sich im Doro­theum sogar eine ganze Florianer-Stube bestehend aus Bett, Aufsatzkommode, Sockeltruhe und Bauernkasten zusammenkaufen. Eher als Solitärstücke empfehlen sich alte Pferdeschlitten in verschiedenen Größen oder Raritäten wie eiserne Türen, ein sogenannter Mis­telluster aus Eisenblech, ein Butterfass oder kunstvoll geschnitzte Fassböden (die de facto die Schauseite eines Fasses darstellen und eigentlich fälschlich „Böden” heißen). Und auch die Liebhaber von Kitsch und Skurrilem kommen garantiert nicht zu kurz: Von Jagdtrophäen bis zu einer ganzen jagdliche Salonsitzgruppe, bei der Hirschgeweihstangen als Beine und Lehnen dienen, findet sich garantiert etwas Passendes, sei es als Weihnachtsgeschenk für die Liebsten, sei es als Highlight für das Chalet in den Bergen.

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