Mit der Wirtschaft und den Börsen geht’s voran
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FINANCENET reinhard krémer 07.07.2017

Mit der Wirtschaft und den Börsen geht’s voran

Raiffeisen Research und Erste Group-Analysten sehen Wachstum und den ATX als Outperformer. Ab Seite 58

••• Von Reinhard Krémer

Wonach alle Wirtschaftstreibenden, aber auch Investoren und Marktbeobachter, während der letzten Jahre gelechzt haben wie ein Verdurstender nach einem Tropfen Wasser, das prasselt jetzt hernieder wie ein warmer Sommerregen: Das Wachstum ist zurück. „Die BIP-Zahlen für das erste Quartal haben in mehreren Ländern Zentral- und Südosteuropas positiv überrascht. Vor allem Rumänien, Polen, Ungarn und die Tschechische Republik stachen mit hohen Zuwächsen hervor”, sagt Raiffeisen Research - Chefanalyst, Peter Brezinschek.

„Auch Österreich veröffentlichte zunehmende Wachstumsdynamik und ließ die Eurozone erstmals seit vielen Jahren hinter sich. Konsequenterweise haben wir für die genannten Länder unsere BIP-Prognosen für das Gesamtjahr 2017 moderat angehoben. Mit einem BIP-Zuwachs von 2,2% sollte Österreich die stärkste Wachstumsentwicklung seit 2011 aufweisen”, so Brezinschek.

Außenhandel legt zu

Die konjunkturelle Dynamik in Österreich hat sich zu Jahresbeginn nochmals beschleunigt. Die im ersten Quartal im Vorjahresvergleich verzeichnete jährliche Wachstumsrate von 2,3% war so hoch wie zuletzt im Frühjahr 2011, sagt der Experte.

Weiterhin vergleichsweise dynamisch hat sich zu Jahresbeginn der private Konsum entwickelt. Die Bruttoanlageinvestitionen haben wie in den Quartalen zuvor auch im ersten Quartal das Quartalswachstum unterstützt. Ein positiver Wachstumsbeitrag kam auch vom Außenhandel, da die Exporte nach einer enttäuschenden Entwicklung im Jahr 2016 nun wieder vom positiven außenwirtschaftlichen Umfeld profitierten.
Neben der positiven Konjunkturdynamik der vergangenen Quartale gestaltet sich der Ausblick für die kommenden Monate weiterhin günstig, ist Brezinschek überzeugt. Sowohl der EinkaufsManagerIndex für das verarbeitende Gewerbe als auch das von der EU-Kommission ermittelte Wirtschaftsvertrauen notierten zuletzt über den Durchschnittswerten des ersten Quartals, was für sich genommen auf eine abermalige Beschleunigung des konjunkturellen Tempos schließen lässt.

BIP-Prognose angehoben

„Vor dem Hintergrund der soliden Konjunkturentwicklung der vergangenen Quartale sowie des positiven Ausblicks haben wir unsere BIP-Wachstumsprognose für das Gesamtjahr 2017 von 1,7% auf 2,2% und für 2018 von 1,5% auf 1,7% angehoben. Die österreichische Volkswirtschaft würde damit heuer das höchste Jahreswachstum seit 2011 (2,8%; Anm.) verzeichnen. Dabei dürfte die Konjunkturdynamik in diesem und im kommenden Jahr breiter abgesichert sein als 2016 und neben der Binnennachfrage auch vom Außenhandel getragen sein”, zeigt sich der Raiffeisen-Chefanalyst optimistisch.

Inflation unter Kontrolle

Die Inflation in Österreich dürfte im Februar mit 2,4% ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht haben. „Wir erwarten für das Gesamtjahr 2017 weiterhin eine durchschnittliche Teuerungs­rate in Höhe von 2,0% und für 2018 dann 2,1%. Zwar hat die Ölpreisentwicklung mittlerweile einen viel geringeren, erhöhenden Effekt auf die Inflation als noch vor wenigen Monaten, jedoch ist nicht zuletzt aufgrund der guten Konjunkturentwicklung mit einem moderat zunehmenden, von der Kern­rate herrührenden Preisdruck zu rechnen”, sagt Brezinschek.

Nach dem starken Anziehen der Inflationsraten in CE/SEE durch den Energiepreiseffekt zu Jahresbeginn hat sich die Situation ebenfalls wieder etwas beruhigt. In einigen Ländern wurde die Spitze der Inflation bereits im März erreicht. In Russland, wo auch die Rezession nun zu Ende ist und man ein höheres Wachstum wie nur ein Prozent für möglich hält, hat sich der Weg rückläufiger Teuerungsraten fortgesetzt. Das Zentralbankziel von 4% ist fast erreicht, erläutert der Experte.

CE und SE blühen auf

In Zentraleuropa (CE) haben Stimmungsindikatoren wie die EinkaufsManagerIndizes (PMI) im ersten Halbjahr ein Niveau erreicht, das auf ein deutlicheres Wirtschaftswachstum hindeutet. Im Durchschnitt erreichte der PMI für Polen, Ungarn und die Tschechische Republik im bisherigen Jahresverlauf fast 56 Punkte – weit über dem neutralen Niveau von 50 Punkten. Unterstützend ist der Optimismus der Unternehmer in Deutschland, wo der EinkaufsManagerIndex auf zuletzt fast 60 Punkte gestiegen ist, so Brezinschek.

In Südosteuropa (SEE) stellt sich die Situation ähnlich dar. Die größte Volkswirtschaft der Region, Rumänien, boomt. Vor allem der inländische Konsum treibt die Wirtschaft an. Während die Wirtschaftsdynamik auch in Bulgarien ungebrochen ist, trübte sich das Wachstumsmoment am Westbalkan etwas ein. Ein Plus von knapp 20% seit Jahresbeginn zeigt den ATX unter den sich am besten entwickelnden europäischen Aktienindizes.

Das Comeback des ATX

Er zählt nun schon seit 2015 zu den Outperformern in Europa – eine Outperformance, die seit dem zweiten Halbjahr 2016 so richtig an Dynamik gewonnen hat. Die starke Entwicklung ist unter anderem auf die deutlich verbesserte Wahrnehmung gegenüber der CEE-Region zurückzuführen, ist Brezinschek überzeugt: „Ein höheres Wirtschaftswachstum als in der Eurozone schafft Vertrauen, und aufgrund des hohen Umsatz-Exposure österreichischer Unternehmen färbt dieser Umstand positiv auf den österreichischen Aktienmarkt ab. Weiterer Punkt: ein durch die Erwartung steigender Renditeniveaus leicht verbessertes Umfeld für die im ATX hoch gewichteten ­Finanzwerte.”

Luft nach oben

Häufig ist darüber hinaus festzustellen, dass in fortgeschrittenen Aufschwungphasen der Leitbörsen das Investoreninteresse für kleinere Märkte zunimmt. Aktuell ist der ATX mit einem KGV von 13,6 für 2017 und 12,7 für 2018 bewertet, sagt der Chefanalyst von Raiffeisen Research – ein Niveau, das die RCB als angemessen erachtet und das im Vergleich zum breiten europäischen Markt einem Abschlag von über zehn Prozent entspricht. Zum Jahresende prognostizieren die Analysten der RCB den ATX leicht höher bei 3.250 Punkten, wobei jedoch über die Sommermonate zwischenzeitlich durchaus auch leichtes Rückschlagpotenzial gegeben ist.

Und was macht der Euro?

Die EZB kauft weiter Anleihen lässt und den Leitzins unverändert bei 0 Prozent - die Fed hebt den Leitzins weiter an und verkauft Anleihen. Das wird sich in der Renditedifferenz zwischen zweijährigen deutschen und US-Staatsanleihen widerspiegeln. Das wiederum sollte dem US-Dollar in den nächsten Monaten Auftrieb verleihen. „Bis Dezember sehen wir Euro/US-Dollar-Wechselkurse bei 1,07”, so Peter Brezinschek.

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