Preisgerangel und kein Ende am 17-Milliarden-Markt
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FINANCENET 06.11.2015

Preisgerangel und kein Ende am 17-Milliarden-Markt

Michael Augustin, CCO von Aon Österreich, fordert: „Schluss mit dem Preiskampf am heimischen Versicherungsmarkt”.

••• Von Sabine Bretschneider

WIEN. Seit 25 Jahren ist Michael Augustin in der österreichischen Versicherungsbranche tätig, seit Mitte 2013 ist er als CCO von Aon Österreich, der heimischen Dependance des weltweit größten Versicherungsmaklers, zuständig für Consulting, Sales und Marketing. Mit medianet sprach Augustin über eine Branche im Wandel.

medianet: Die Versicherungslandschaft ist in den letzten Jahren zunehmend unter Druck geraten. Was sind Ihre Prognosen, Ihre Antworten auf die Herausforderungen des Marktes?
Michael Augustin: Die Branche hat in letzter Zeit nicht durch Produkt­innovationen gepunktet, sondern primär über eine Niedrigpreis­politik versucht, Marktanteile zu erlangen. Niedrige Preise der Marktleader wurden von neuen Mitbewerbern nochmals unterboten. Bei einem derartigen Preiskampf ist es letztendlich schwer, den eigenen Mehrwert darstellen zu können; mit dieser Entwicklung kämpft jetzt die gesamte Branche.

Als Risikoberater und Versicherungsmakler ist es unsere Aufgabe, die Brücke zwischen dem Bedarf der Kunden und dem Markt zu bauen. Gemeinsam mit unseren Kunden arbeiten wir an neuen Ideen und entwickeln individuelle Lösungen, um diese anschließend am Versicherungsmarkt zu platzieren und das beste Angebot einzuholen.


medianet: Beißt sich da nicht die Katze in den Schwanz? Makler werden im Regelfall vom Versicherungsunternehmen geschult, und über Produkte, die es nicht gibt, kann der Makler nicht informieren.
Augustin: Unser Anspruch ist es, als Innovator zu gelten. Das heißt: Wir führen zuerst mit dem Kunden einen Dialog, um Bedürfnisse und Anforderungen zu verstehen und diese anschließend zu analysieren: Wo liegt überhaupt der Bedarf? KMU beziehen beispielsweise Themen wie Supply Chain oder auch die klassische Betriebsunterbrechung weniger in ihre Überlegungen ein. Doch gerade der KMU-Bereich entwickelt sich rasant weiter. Neue Märkte öffnen sich, und plötzlich kommen ganz andere versicherungsrelevante Themen hinzu. Aon steht dem Kunden hier mit Rat und Tat zur Seite, macht ihn auf mögliche Themen aufmerksam, um dann die Aufgabenstellung technisch zu bewältigen.

medianet: Man berät also den Kunden über passende Angebote und den Versicherer über dessen Bedürfnisse?
Augustin: Genau so ist es. Ich erfrage beim Kunden, was ihn beschäftigt, was ihn nachts nicht ruhig schlafen lässt. Was er bedenken muss, wenn er in Märkte exportiert, die er nicht kennt.

Beispiel USA: Das Rechtssystem und die Haftungsvoraussetzungen sind gänzlich anders als in Europa. Durch unser internationales Netzwerk haben wir die Kenntnisse über dortige Usancen, darüber, worauf man achten muss. Wir können Erfahrungswerte den Kunden zur Verfügung stellen, daraus die potenziellen Risiken errechnen und ganz am Schluss ergibt sich für unseren Kunden die Frage: Will er das Risiko in die eigene Verantwortung nehmen oder will er es von der eigenen Bilanz in die Bilanz des Versicherers transferieren.


medianet: Sie sind also weniger Versicherungsverkäufer als Risiko­berater, ein Art outgesourcter Riskmanager?
Augustin: Großunternehmen haben oft für Risikomanagement interne Abteilungen, aber im KMU-Bereich hat man vorrangig andere Sorgen. Da ist das Thema Risiko und Versicherung auf den ersten Blick nicht so dringlich und im Fokus der Businessplanung. Die Gefahr dabei ist jedoch, wenn man dem Thema zu wenig Aufmerksamkeit schenkt, dass Gefahren übersehen werden und existenzbedrohende Szenarien eintreten können.

Was man nicht ausreichend bedacht hat, das zeigt sich im Schadensfall. Einfaches Beispiel: In einer Produktionsstätte bricht Feuer aus, der Fertigungsprozess steht für längere Zeit still, und der Betrieb kann bis zur Neueröffnung nicht mehr weitergeführt werden. Wie kann der Unternehmer Löhne und Gehälter bezahlen? Wenn er für diesen Schadensfall keinen Versicherungsschutz genießt, wird der Eigentümer Mitarbeiter kündigen müssen. Die Konsequenzen einer Produktionsunterbrechung können einer Firma somit den Todesstoß versetzen. Gerade im KMU-Bereich sehen wir deshalb noch viel Potenzial.


medianet:
Ein Fallbeispiel: Ein typisch österreichischer Unternehmer, 20 bis 30 Mitarbeiter, versicherungstechnisch laut eigener Aussage ‚eh gut versorgt'… Wie begegnet man so jemandem?
Augustin: Die Geschäftstätigkeit von Unternehmen verändert sich im Lauf der Zeit, und damit ändern sich auch die Bedürfnisse. Vielleicht hat das Unternehmen regional expandiert, ist viel IT-lastiger als noch vor ein paar Jahren und somit Cyberrisiken ausgesetzt. Es gibt heute ganz andere Risiken, die zu bedenken sind. Ein Versicherungsbündel, das damals gepasst hat, passt vermutlich heute nicht mehr. Also in Kürze: Der Unternehmer kann ums gleiche Geld eine bessere Deckung bekommen, weil die vorherige Versicherung ohnehin nicht mehr den Anforderungen entsprochen hat. Und man muss bedenken: Wenn ich viele Jahre bei einem Produkt geblieben bin, dann bin ich preislich in die Höhe geschnellt, einfach, weil der Vertrag indexiert worden ist.

Wir empfehlen daher eine regelmäßige Überprüfung alle zwei bis drei Jahre. Davon betroffen sind auch größere Unternehmen, die länger nichts geändert haben. Da können inhaltliche Defizite vorkommen und drohende Risiken übersehen werden. Das zu erkennen, verlangt jedoch Erfahrung und Know-how. Aon hat beides. Wir offerieren unseren Kunden eine Risiko­beratung und maßgeschneiderte Versicherungskonzepte. Mittels unserer Kooperation mit der Triple-A Marketing AG gibt es für Unternehmen zusätzlich auch die Möglichkeit einer Selbstanalyse, die diese Themen aufgreift.


medianet: Was soll nach den Change-Prozessen, die Ihr Unternehmen in letzter Zeit durchläuft, der Konzentration auf Kundensegmente, der Ausrichtung der gesamten Organisation auf den Kundennutzen, am Ende des ­Tages herauskommen?
Augustin: Unser Ziel ist es, uns an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren und robuste Grund­lagen für deren Entscheidungen zu liefern. Dabei streben wir ein signifikantes organisches Wachstum in Höhe von etwa fünf Prozent an – und auch ein strategisches Wachstum. Der heimische Versicherungsmarkt bewegt sich in den letzten Jahren um die zwei, drei Prozent bei einem Gesamt-Prämienaufkommen von etwa 17 Mrd. Euro im Jahr. Aus diesem Verdrängungswettbewerb über den Preis wollen wir heraus.

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