„Wir haben als Universalbank einen gravierenden Vorteil”
© Erste Group Bank/Toni Rappersberger
FINANCENET 19.02.2016

„Wir haben als Universalbank einen gravierenden Vorteil”

Thomas Uher, CEO der Erste Bank, glaubt an den erfolgreichen Mix aus Mensch und Maschine beim Banking.

••• Von Thomas Müller

WIEN. Radikale Änderungen stehen in der österreichischen Bankenlandschaft an: Weiteres Zurückstutzen der Filialnetze und um ein Drittel weniger Beschäftigte, sagen Experten voraus. Gleichzeitig zeigen sich die Kunden mehr denn je bereit für einen Wechsel ihrer Hausbank, wie eine Umfrage der Erste Bank unlängst festgestellt hat.

Für Thomas Uher, Vorstandsvorsitzender der Erste Bank Oesterreich, geradezu ein Auftrag, genau diese Kunden von den Mitbewerbern abzuziehen. Gelingen soll das mit Investitionen im Onlinebereich und in neue schicke Filialen. ­Gerade die physische Präsenz sei ein wesentlicher Vorteil der etablierten Banken gegenüber den neuen digitalen Start-ups.

medianet: 16 Prozent der Bankkunden wollen Ihrer Studie zufolge die Hausbank wechseln. Werden davon nicht eher die Direktbanken mit ihrem Gratiskonto profitieren als die traditionellen Retail­banken?
Thomas Uher: Also ich hoffe, dass in erster Linie wir davon profitieren werden! Das letzte Jahr hat es ja auch gezeigt, dass wir beim Neukundenzuwachs wirklich gut sind. Und es kommt ja immer darauf an, was ich als Bankkunde möchte.

Es wird immer ein paar Menschen geben, die ihre Finanzen auf zwei, drei oder mehr Banken aufteilen und das alles selber managen. Aber ich glaube die große Mehrheit will schon eine Universalbank. Und da gehören wir zu den Besten. Wenn Sie z.B. ‚George' zu Hause öffnen, haben Sie alles mit einer Plattform im Blick: Ihre laufenden Kosten, alle Anlageprodukte, den Kredit, die Kontokarten und auch die s Versicherungsprodukte. Damit kann man einfach planen und sich einen Überblick verschaffen. Zeigen Sie mir eine andere Bank, wo das so einfach und übersichtlich geht.


medianet: 2016 wollen Erste Bank und Sparkassen zusammen rund 300.000 Neukunden gewinnen. Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass es so weitergeht wie im Jahr 2015?
Uher: Ich glaube, dass wir in einer sehr guten Position sind als Erste Bank. Wir haben in den letzten Jahren unsere Hausaufgaben gemacht und sind in der Lage, weiter zu wachsen. Unsere starke Position bei österreichischen Unternehmen haben wir weiter ausgebaut. Es gehört zu unserem Kerngeschäft, die heimische Wirtschaft mit Krediten zu versorgen.

Allein im letzten Jahr waren das gemeinsam mit den Sparkassen 5,2 Milliarden Euro an neuen Krediten, die wir vergeben haben. Aber auch im Privatkundenbereich haben wir kräftig investiert und das werden wir weiter tun. Und dabei meine ich, wir investieren in unsere Kunden. Mit George haben wir im digitalen Banking neue Maßstäbe gesetzt in Österreich.
Eine halbe Million User belegen uns den Erfolg. Bei den Filialen sind wir gerade dabei, das neue Konzept, das sich an den Wünschen der Kunden orientiert, auszurollen. Heuer werden wir noch zwölf weitere Standorte modernisieren und eröffnen.


medianet: Auch die Erste Bank will irgendwann wieder mehr Geld mit dem Retail-Geschäft verdienen. Ohne erheblichen Personalabbau wird das wahrscheinlich nicht gehen ...
Uher: Wir müssen in erster Linie auf der Ertragsseite noch besser werden, aber das ist bei dem Zinsniveau natürlich eine ziemliche Herausforderung. Einfach reihenweise Leute rauszuschmeißen, ist mir zu banal und zu kurzsichtig. Wir hatten zudem nie eine recht aufgeblasene Personalstruktur so wie andere.

medianet: In den Städten werden jetzt mehrgeschoßige Kundencenter eröffnet; wie wollen Sie am Land neben den unzähligen ­Raikas bestehen?
Uher: Mal sehen, wie lange das Wort ‚unzählig' da noch zutrifft. In unserem Einzugsgebiet außerhalb von Wien, also Niederösterreich und dem Burgenland, sind wir sehr effizient aufgestellt. Es ist ja nicht eine Frage dessen, wie viele Filialen man hat, sondern wie gut man insgesamt ist. Diese alte Denkweise vom Zählen der Filialen, die dann gleichgesetzt wird mit Größe und Erfolg, nervt mich eigentlich schon. Das spiegelt nicht das Kundenverhalten des Jahres 2016 wider.

medianet: Die Fintechs gelten als neue Herausforderer im Bank­geschäft. Haben Sie schon Antworten darauf gefunden?
Uher: Unsere erste Antwort darauf war George – eine neue digitale Banking-Plattform, die nicht nur so aussieht, wie so etwas im Jahr 2016 aussehen sollte, sondern auch eine klare Benchmark setzt in ­Sachen Online-Banking.

Aber das ist natürlich nicht alles. Ich glaube fest daran, dass wir als Universalbank einen gravierenden Wettbewerbsvorteil haben. Wir sind zugänglich und präsent, bei uns kann man selbstverständlich auch in eine Filiale gehen und sich von Menschen beraten lassen. Es ist der Mix, der es ausmacht. Da beginnen manche erst gerade umzudenken.


medianet: Würden Sie heute jungen Menschen empfehlen, den klassischen Bankberaterberuf zu ergreifen?
Uher: Erst mal: Den klassischen Bankberuf gibt es ja so nicht; die Vielfalt an Jobs, die wir bieten, ist ja riesengroß.

Neben den Kundenbetreuern gibt es unzählige Fachabteilungen, wo wir immer gute Spezialisten brauchen. Aber gerade in der Filiale als Berater, das ist wirklich ein sehr schöner Beruf. Man hat mit Menschen zu tun, und es ist ja auch eine sehr vertrauensvolle Aufgabe, Kunden dabei zu helfen, ihr gesamtes Geldleben zu managen.
Wir haben jedes Jahr über 1.000 Bewerbungen für unsere 60 Lehrstellen im Vertrieb. Das zeigt mir, dass wir nach wie vor auch für Junge ein attraktiver Arbeitgeber sind.

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