100 Millionen für Ärzte und Studien
© Christian Husar
Karl Forstner (Ärztekammer) und Jan Oliver Huber (Pharmig) stellten am Mittwoch die Transparenzinitiative vor.
HEALTH ECONOMY Martin Rümmele 24.06.2016

100 Millionen für Ärzte und Studien

Ab kommender Woche macht die Pharmaindustrie in ­Österreich alle Zuwendungen an Ärzte und Institutionen ­öffentlich. Das soll für mehr Transparenz sorgen.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Die Pharmaindustrie stößt die Tür zu mehr Transparenz auf: Die Zusammenarbeit der Industrie mit der Ärzteschaft ist notwendig, um die Therapieoptionen für ­Patienten stetig zu verbessern. Doch lange wurden hier undurchsichtige Zuwendungen – etwa für Fortbildungen – kritisiert. Ab Ende Juni machen die Pharmaunternehmen nun auf ihren Websiten öffentlich, welche finanziellen Leistungen sie erbringen und wofür. Die Zahlungen, die offengelegt werden, betreffen Leistungen im Zusammenhang mit Forschung und Entwicklung, Spenden und Förderungen, Veranstaltungen zum Zweck der Aus- und Weiterbildung sowie Dienst- und Beratungsleistungen.

Komplexe Erhebung

Der Branchenverband Pharmig hat unter allen Unternehmen, die dem Verhaltenscodex beigetreten sind, die Summen für die geldwerten Leistungen in den genannten Kategorien für das Jahr 2015 erhoben. Die Unternehmen, die Angaben gemacht haben, spiegeln einen Großteil des heimischen Markts wider. Auf Basis dieser Hochrechnung sind es rund 100 Mio. €, die am Standort Österreich ausgegeben werden.

Kooperiert wird auch mit den Ärzten. „Die Förderung von Medizin und Gesundheit ist eine ­gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dennoch gibt es in Österreich für die medizinische Forschung und die verbindlich vorgeschriebene ärztliche Fortbildung so gut wie keine öffentlichen Mittel. Beides ist nur mit Unterstützung der pharmazeutische Industrie möglich”, sagte Karl Forstner, Vizepräsident der Ärztekammer, bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Umso wichtiger seien gesetzliche und ethische Vorgaben und die klaren Verhaltensregeln, die Pharmig und Ärztekammer für ihre Mitglieder definiert hätten.
Forstner: „Jede von der Akademie der Ärzte akkreditierte Fortbildungsveranstaltung muss Sponsoren bekannt geben. Ärzte, die geldwerte Leistungen, etwa als Vortragende, erbringen, müssen Interessenkonflikte ganz klar darlegen.” Für die Unternehmen bedeute das einen enormen Aufwand, sagt Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig: „Sie generierten, analysierten und ordneten in den vergangenen Monaten Tausende Datensätze, um die Ergebnisse übersichtlich auf ihren Websites verfügbar zu machen. Das hat in einigen Fällen auch dazu geführt, dass neue Arbeitsplätze geschaffen wurden – ein weiterer positiver Effekt.” Voraussetzung für die individuelle Offenlegung ist die Zustimmung der Betroffenen. Huber: „Wir tragen hier dem Datenschutz Rechnung, weshalb alle Empfänger von geldwerten Leistungen auch um ihre Zustimmung zur Nennung ihres Namens gefragt werden. In der ersten Welle haben sich noch nicht alle Ärzte dazu bereit erklärt.”

Druck auf Ärzte

Das Pharmaunternehmen GSK geht hier deshalb einen anderen Weg: Mit Ärzten und Institutionen, die der Offenlegung nicht zustimmen, wird bereits seit dem Vorjahr nicht mehr zusammengearbeitet. Die Devise dabei ist simpel: „No consens, no contract.” Das Unternehmen sieht sich als Impulsgeber und hat bereits vor vielen Jahren Initiativen ergriffen, die für mehr Transparenz sorgen. So veröffentlicht GSK etwa seit 2006 alle Zahlungen an Patientengruppen und seit 2000 die Ergebnisse aller klinischen GSK Studien im Internet.

„Wir begrüßen diese Initiative, denn Transparenz ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Korruption”, betont Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von Transparency International – Austrian Chapter (TI-AC).

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