Ärzte fürchten Folgen des Finanzausgleichs
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HEALTH ECONOMY Martin Rümmele 28.10.2016

Ärzte fürchten Folgen des Finanzausgleichs

Länder, Gemeinden und Bund reden über Neuverteilung von Geldern. Das könnte zulasten der Ärzte gehen.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Möglichst am 6., spätestens aber am 7. November könnte das Ringen um den Finanz­ausgleich zu Ende sein. Für diese Tage haben sich Bund, Länder und Gemeinden einen vermutlich finalen Verhandlungsmarathon vorgenommen. Als Knackpunkt gelten 500 Mio. €, die Länder und Gemeinden zusätzlich wollen, um die steigenden Kosten in den Bereichen Pflege, Gesundheit und Flüchtlingsbetreuung abdecken zu können. Vor allem aber geht es um die Finanzierung der Spitäler; für sie gibt es von den Krankenversicherungen nur einen gedeckelten Pauschalbetrag, der Rest kommt aus dem Steuertopf, und Länder und Gemeinden müssen als Träger der Spitäler auch deren Defizite zahlen – und diese steigen.

Wahlärzte weichen aus

Die Ärztekammer befürchtet nun aufgrund ihr vorliegender Unterlagen, dass der Finanzausgleich dazu genützt wird, um die Refundierung von Wahlarztkosten abzuschaffen. In einer Aussendung zitiert Kammer-Vizepräsident Johannes Steinhart gut informierte Quellen, die über entsprechende Informationen verfügten.

Hintergrund hier: Bei einem Wahlarzt sind Behandlungskosten immer vom Patienten direkt zu bezahlen, die Krankenkassen refundieren dann 80% des Kassentarifs, wenn man die Rechnung einreicht. Immer mehr Ärzte – vor allem auch Spitalsärzte – führen mittlerweile Wahlarztpraxen; umgekehrt schwindet das Interesse an Kassenstellen. Genau die braucht es aber zunehmend, wenn Leistungen aus den Spitälern in den niedergelassenen Bereich verlagert werden sollen.
Änderungen soll es in einer neuen Bund-Länder-Vereinbarung auch bei den Anfang 2015 neu geregelten Arbeitszeitbestimmungen für Spitalsärzte geben. Konkret geht es hier offenbar um eine Verlängerung der Übergangsbestimmungen und Ausnahmeregelungen, berichtet die Ärztekammer. Für Kammerpräsident Artur Wechselberger handelt es sich bei entsprechenden Vorhaben, die angeblich auf Beamtenebene gerade vorbereitet werden, um „Pläne aus der Mottenkiste”.
Der Niederösterreichische Ärztekammer-Präsident Christoph Reisner fürchtet eine andere Entwicklung zur Sicherung der Länderfinanzen durch Zuschüsse für die Spitäler: „Zunächst sollen Wahlärzte aus der Gesundheitsversorgung verdrängt werden, indem die Rückerstattung des Wahlarzthonorars in nahezu allen Fällen abgeschafft wird.
Weiters sollen Leistungen aus den Ordinationen in die Spitals­ambulanzen verlagert werden, was aus personeller Sicht nur mit einer ebenfalls vorgesehenen Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes für Spitalsärzte möglich wäre. Und drittens droht den niedergelassenen Ärzten mit dem Kassenvertrag eine Auflösung ihres bestehenden Vertrags, wenn beispielsweise das Land keinen Bedarf mehr dafür sieht.”

System im Umbruch

Tatsächlich ist das gesamte System im Umbruch durch neue Therapien und Technologien, sagt eine neue Studie von Frost & Sullivan. „Die Digitalisierung von Produkten, Diensten und Geschäfts- und Handelsmodellen demokratisiert die derzeitigen Gesundheitssysteme. Dadurch wird der Zutritt zu neuen, bisher unerschlossenen Segmenten ermöglicht, der zu früheren Zeiten mit wesentlich höheren Kosten verbunden gewesen wäre. Angespornt durch die Veränderungen im Markt­umfeld, arbeiten medizintechnische wie auch Pharmaunternehmen an Strategien, wie man über einfache produkt- beziehungsweise medikamentenbasierte Vertriebsmodelle hinaus zu verbraucherorientierten Service-Lösungen kommt”, sagt Frost & Sullivan Transformational Health Industry Analyst ­Kamaljit Behera.

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