Grippewelle rollt an und heizt Pharmabranche ein
HEALTH ECONOMY Martin Rümmele 06.02.2015

Grippewelle rollt an und heizt Pharmabranche ein

Hintergrund Nach schwacher Erkältungssaison im Vorjahr hoffen Industrie und Apotheken heuer auf Trendwende

Influenzaimpfungen wirken heuer nur eingeschränkt, Kältewelle kurbelt Geschäfte an.

Wien. Die Grippesaison ist eröffnet. Allein in Wien ist die Zahl der Neuerkrankungen diese Woche auf über 11.000 gestiegen. Was die Betroffenen und Arbeitgeber wenig freut, lässt die Pharmabranche hoffen. Denn mit dem Fieberthermometer steigen auch die Umsätze im Erkältungsgeschäft. Und das ist für die Apotheken und Pharmaindustrie traditionell enorm wichtig. Entfällt doch ein Großteil der Umsätze auf Erkältungsprodukte. Branchenkenner schätzen, dass insgesamt bis zu 300 Mio. € in der Erkältungssaison umgesetzt werden – von Arzneien über Impfstoffe bis zu den Impfhonoraren der Ärzte. Mit rund 20% Wertanteil ist der Husten- und Erkältungsmarkt zudem das größte Segment im Bereich rezeptfreier Produkte (OTC).

Vorjahr brachte Minus

Was die Krankenkassen als Zahler im Fall schwerer Erkältungskrankheiten wenig freut, ist für die Branche nicht zuletzt deshalb wichtig. Dazu kommt, dass die Grippewelle im Vorjahr ausge-blieben ist und damit zu deutlichen Geschäftseinbußen in der Industrie und erstmals auch in Apotheken geführt hat. In der Influenzasaison 2013/14 hat der Wiener Grippemeldedienst erstmals seit 26 Jahren keine Grippewelle verzeichnet. Weil zudem in ganz Europa ein milder Verlauf festgestellt wurde, kam die Branche unter Druck. Im OTC-Segment sank in Österreich der Erkältungsanteil deshalb von 21,8% im Jahr 2013 auf 20% im Vorjahr.Doch das scheint heuer ander zu sein: Die Grippeimpfung wirkt nicht gegen das häufigste Virus H3N2. „Man muss sich vorstellen, dass die Produktion dieser Impfstoffe bis zu einem Jahr dauert. Die Empfehlungen für diese Produktion müssen ein Jahr zurückliegend gemacht werden. Heuer ist es so, dass sich die Influenzaviren weiterentwickelt haben. Die zirkulierenden Viren stimmen mit den Impfstämmen nicht mehr überein”, sagt Theresia Popow-Kraupp, Leiterin des Influenza-Labors an der Medizinischen Universität Wien, in Interviews. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe sich bei ihrer Einschätzung geirrt, erklärte auch Salzburgs Landessanitätsdirektorin Heidelinde Neumann. Nach Beginn der Impfstoffproduktion im Frühsommer kam es demnach zu einer unerwarteten Mutation dieses Grippevirus – als sie entdeckt wurde, war es für den diesjährigen Impfstoff aber schon zu spät.

1.200 Todesfälle pro Jahr

Dieser fehlende Schutz wird sich laut Experten aber nicht auf die Zahl der Grippeerkrankungen auswirken. Denn die Durchimpfungsrate sei mit sieben bis acht Prozent in Österreich ohnehin sehr gering, sagt Popow-Kraupp; sie empfiehlt aber trotzdem eine Impfung, weil sie vor schwereren Krankheits-verläufen schützen kann. Gerade heuer zeigt sich nämlich, dass die Influenza zum Teil besonders heftig ist. Wien und Kärnten melden etwa nicht nur hohe Zahlen an Grippe-Patienten, sondern auch viele Patienten, die stationär aufgenommen werden mussten. Statistisch erkranken fünf bis zehn Prozent der Erwachsenen im Laufe einer Grippewelle. 20 Prozent der Kinder sind von einer Grippewelle betroffen. 1.200 Menschen sterben in Österreich jährlich an einer Grippeerkrankung.

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