Kanzler-Idee sorgt für Debatte in den Kassen
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HEALTH ECONOMY Martin Rümmele 20.01.2017

Kanzler-Idee sorgt für Debatte in den Kassen

Die VP-dominierten Sozialversicherungen wehren sich gegen die SP-Idee, die Rücklagen aufzulösen.

••• Von Martin Rümmele

Die von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in seinem „Plan A” angeführte Auflösung von Rücklagen der Krankenkassen sorgt für heftige Diskussionen. Konkret geht es um einen Betrag von 2,65 Mrd. €. Im Gesundheitsministerium hieß es dazu, Ziel sei es, die gesamten freien Rücklagen der Kassen aufzulösen und den Versicherten zugutekommen zu lassen.

Die Krankenversicherungsträger verfügen über 3,7 Mrd. € an Rücklagen, davon 2,65 Mrd. in Form liquider Mittel. Im Büro von Gesundheitsministerin ­Sabine Oberhauser (SPÖ) hieß es dazu, es handle sich dabei um Beiträge der Versicherten; das Geld solle den Versicherten zurückgegeben werden.

Ministerium dafür

Ein Teil dieser Mittel soll in die Angleichung der unterschiedlichen Leistungen der Kassen fließen. Diese Unterschiede reichen „von der gynäkologischen Ultraschalluntersuchung, die von einzelnen Kassen nicht bezahlt wird, über unterschiedliche Selbstbehalte und Zuschüsse bei Zahnleistungen bis hin zu unterschiedlichen Zuschüssen bei Psychotherapie von 21,80 bis 50 €. Mit dem Argument, dass es für gleiche Beiträge auch gleiche Leistungen geben solle, steht das Gesundheitsministerium auch voll und ganz hinter diesem Plan.

Welches Modell dafür gewählt wird und welche Kasse welche Leistungen übernehmen soll, müsse noch geprüft werden. Klar sei aber, dass es keine Angleichung nach unten geben soll, sondern Mehrkosten einkalkuliert werden. Abgeschafft werden sollen auch die Selbstbehalte. Derzeit zahlen die Selbstständigen beim Arztbesuch 20% dazu, die Beamten 10%, die ­Eisenbahner 7%, und die Bauern haben eine Pauschale von 9,61 € pro Behandlungsfall und Quartal. Von einer Abschaffung könnten gut zwei Mio. Anspruchs­berechtigte profitieren.

Mehr Geld für Ärzte

Weiters will Kern Terminservicestellen für dringende MRT-/CT-Untersuchungen bei den Kassen einrichten, wobei nach medizinischer und diagnostischer Dringlichkeit differenziert werden soll. Bis 2018 solle es Termine für CT binnen zwei Wochen, für MRT binnen vier Wochen geben, bei hochakuten Fällen sofort.

Begrüßt wird die geplante Auflösung der Rücklagen von der Ärztekammer. Das Geld könnte für eine moderne, patientenfreundliche Gesundheitsversorgung gut gebraucht werden, argumentiert die Standesvertretung. Tatsächlich ist Kerns Plan Balsam auf die Wunden der zuletzt kritischen Ärztekammer, die Kürzungen fürchtet und eine Entmachtung durch die neuen Primärversorgungszentren. Eine Angleichung von Leistungen würde höhere Honorare für manche Ärzte bringen und könnte der Kammer eine Zustimmung zu den geplanten Gesundheitsreformen entlocken. „Die Sicherung und der Ausbau der wohnortnahen hausärztlichen Versorgung durch freiberufliche Ärzte haben oberste Priorität; das hat anscheinend auch der Kanzler nun erkannt”, begrüßt Johannes Steinhart, Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, die Pläne.

Kritik der SVA

Kritik kommt hingegen von der Beamten-Versicherung und der Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft (SVA). Wirtschaftskammer-Experte Martin Gleitsmann lehnt eine Abschaffung des Selbstbehalts ab, weil dieser „ein vernünftiges Instrument” sei und „eine gewisse Kontrolle” erlaube. SVA-Vizeobmann Alexander Herzog kritisierte, dass Kern „nicht über die SVA-Versicherten drüberfahren dürfe – bei der Urbefragung zum Thema ‚Selbstbehalte' haben sich 80 Prozent für ein Beibehalten des Systems ausgesprochen und diese Willensäußerung der Versichertengemeinschaft muss die Richtung vorgeben”, so Herzog.

Zustimmung kommt hingegen von der Pharmaindustrie. Es könne nicht sein, dass ein einziger Wirtschaftszweig, nämlich die Pharmawirtschaft, das Plus der Kassen finanziere und gleichzeitig Rücklagen angehäuft würden, betonte Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver ­Huber.

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