Paradigmenwechsel in Krebsforschung
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Die Genforschung bringt für die Krebsmedizin deutliche Fortschritte. Jetzt sollen in Österreich die Kräfte gebündelt werden.
HEALTH ECONOMY 06.11.2015

Paradigmenwechsel in Krebsforschung

Österreich etabliert sich weiter als internationaler wissenschaft­licher Hotspot in der Krebsforschung. Grundlagenforschung und Kliniken rücken zusammen, Krebs wird ganzheitlich erklärbar.

••• Von Ulli Moschen

WIEN/KLAGENFURT. Die biologischen Systeme, die zu Krebserkrankungen führen, werden zunehmend vom Labor über Tiermodelle bis zum Menschen ganzheitlich erklärbar – ein Paradigmenwechsel, betonen Experten. Die spezifischen Charakteristika einzelner Krebserkrankungen lassen sich vermehrt identifizieren, auf der Basis von Genuntersuchungen kann der Krankheitsverlauf eingeschätzt und gezielt therapiert werden. Neue Hoffnungsträger sind zudem die sogenannten Immuntherapien. Dabei wird mit monoklonalen Antikörpern versucht, jene Bremsen zu lösen, welche Tumorzellen dem Abwehrsystem des Patienten verpassen, um dessen Angriff zu entkommen. Bei einigen Krebserkrankungen im fortgeschrittenen Stadium überleben durch diese Fortschritte bis zu 60% der Patienten längerfristig.

Hotspots der Forschung

Um dem Zusammenwachsen von Grundlagen- und Anwendungsforschung entgegenzukommen, rücken in Wien nun die Life Science- Forschungseinrichtungen Meduni Wien, IMBA und CeMM stärker zusammen. Dass Wissenschafts-Hotspots international auch ökonomisch erfolgreiche Regionen sind, macht diese Entwicklung zusätzlich attraktiv.

Nach Studien zum RANKL-Signalweg beim Knochenstoffwechsel zu Immun-Checkpoint-Mechanismen von Josef Penninger, Chef des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA), forscht nun zum Beispiel das Österreichische Brust- und Darmkrebs-Forschungsnetzwerk (ABCSG) zu der Frage, ob die Hemmung von RANKL mit dem Biotech-Osteoporosemedikament Denosumab auch einen Effekt auf die Entstehung von Metastasen bei Brustkrebs hat.
„Bei Brustkrebs gelingt es, immer mehr verschiedene Arten der Erkrankung zu charakterisieren”, erklärt Michael Gnant, Leiter der Chirurgischen Universitätsklinik in Wien. „Wir können derzeit zwölf verschiedene Krankheitsarten unterscheiden. Für vier Untertypen von Brustkrebs gibt es tatsächlich auch schon unterschiedliche Behandlungsstrategien. Wir können das Ansprechen auf die Behandlung vorhersagen. Das hat ganz konkrete Konsequenzen.”

Neue Strategien im Test

Gnant steht auch dem ABCSG vor, das mit der Kontrolle des internationalen Teils der sogenannten Pallas-Studie betreut ist. Im Rahmen dieser Studie wird eine neue Strategie in der Nachbehandlung von Brustkrebspatienten erprobt. Patientinnen mit einem hormonabhängigen Mammakarzinom im Stadium II oder III erhalten nach der Standard-Erstbehandlung – Operation, Bestrahlung und Chemotherapie – zwei Jahre lang zur Hälfte eine übliche antihormonelle Therapie zur Verhinderung von Metastasen oder noch zusätzlich den Wirkstoff Palbociclib, der zellwachstums­abhängige Enzyme in den Tumorzellen hemmt und so deren Wachstum blockieren soll.

Breite Studien

„Weltweit sollen in 500 Zentren rund 4.600 Brustkrebspatientinnen und Patienten an der Studie teilnehmen, 2.300 der Patienten davon außerhalb der Vereinigten Staaten. Die ABCSG leitet diese Studie für die ganze Welt, das ist für ein relativ kleines Land wie ­Österreich durchaus bemerkenswert”, sagt Gnant. In Kärnten wurde nun die erste Brustkrebspatientin in die sogenannte Pallas-Studie eingeschlossen. Insgesamt werden rund 350 Mio. US-Dollar in die Studie investiert. Die ersten Zwischenanalysen sollen in den Jahren 2018 und 2020 vorliegen.

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