Pharmabranche: Beobachter erwarten weitere Fusionen
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HEALTH ECONOMY 04.12.2015

Pharmabranche: Beobachter erwarten weitere Fusionen

Das Übernahmekarussell in der Pharmaindustrie dreht sich weiter. Nach Pfizer/Allergan könnten noch heuer weitere Deals folgen.

••• Von Ina Karin Schriebl

WIEN. Kurz vor Jahresende steigt das Übernahmefieber in der Pharmabranche noch einmal deutlich an: Mit der Rekordübernahme des Botox-Herstellers ­Allergan durch den Viagra-Konzern Pfizer übertrifft die Branche ihren Vorjahresrekord von mehr als 500 Mrd. US-Dollar bereits jetzt deutlich. Das Fusions- und Übernahmefieber dürfte einer Studie zufolge anhalten: Weltweit erwarten der Umfrage zufolge 83% der befragten Großkonzerne steigende Transaktionsvolumina in den kommenden Monaten.

Studie zeigt Potenzial

Auch A.T. Kearney rechnet mit einem sich rascher drehenden Fusionskarussell: „Mit dem geplanten Deal zwischen Pfizer und Allergan entsteht ganz nebenbei ein mächtiger Player im Selbstzahlermarkt der Gesundheitsbranche mit einem einzigartigem Portfolio in einem aufstrebenden Zukunftssegment”, kommentiert Oliver Scheel, Partner bei A.T. Kearney und Leiter des Beratungsbereichs Pharma und Gesundheitswesen den geplanten Deal vor dem Hintergrund einer neuen Untersuchung von A.T. Kearney. „Die Übernahme des Botox-Herstellers Allergan durch den Arzneikonzern Pfizer, der bereits einen relevanten Anteil im Markt für nicht verschreibungspflichtige Medikamente hält, ist zwar durch Steuererleichterungen motiviert, bietet aber zusätzlich strategische Chancen – erstens zu den Marktführern im weltweiten Consumer Health Markt aufzuschließen und zweitens Marktführer im wachsenden Zukunftssegment für Ästhetische Hautgesundheit zu werden.”

Die weltweite A.T. Kearney-Untersuchung „Catching the Consumer Health Growth Wave” zeigt, dass im Selbstzahlermarkt der Gesundheitsbranche neue Segmente mit viel Wachstumspotenzial entstehen: Angetrieben durch die Digitalisierung und den Eintritt branchenfremder Spieler aus der Technologie und Konsumgüterindustrie, werden in Zukunft digitale Analyse- und Beratungsmöglichkeiten mit pharmazeutischen Produkten kombiniert werden. Sie bedienen die steigenden Bedürfnisse der Konsumenten nach einfachen und erschwinglichen Möglichkeiten, junges Aussehen, Gesundheit und Fitness bis ins hohe Alter zu erhalten, für die Pfizer sich mit der Übernahme von Allergan in eine gute Position bringt.
Die neuen Segmente bieten verbrauchernahe, oft schon heute digitale Lösungspakete, die Konsumenten und Patienten in die Lage versetzen, Analysen und entsprechende pharmazeutische Produkte wie auch minimalinvasive Techniken eigenständig und von Ärzten und Spezialisten unabhängiger anzuwenden.

Industrie unter Druck

Zudem werde die Digitalisierung vielfältige Innovationen hervorbringen, bis hin zum persönlichen „Beauty-” und „Gesundheitsmanager” im Taschenformat, der sich im Elektronikmarkt erwerben lässt. „Im Gesundheitsbereich zeigen Firmen wie Philips mit ihrer Health Suite-Plattform, die webbasierte Patientenversorgung anbietet, oder Google Life Science, das mit DexCom und Sanofi an digitalen Diabetes Programmen arbeitet, in welche Richtung die neuen Angebote gehen könnten”, illustriert Scheel die Entwicklung.

Wenn sich Konsumgüterunternehmen wie Nestlé und Technologieunternehmen wie Apple oder Google mit ihrem Zugriff auf Massendaten intensiv an der Entwicklung von Gesundheitslösungen beteiligen, entstehen mit rasanter Dynamik ganz neue Segmente, die mit der heutigen Produktwelt nur noch wenig gemeinsam haben”, beschreibt der Experte die Ergebnisse der Untersuchung. „Bereits heute zeichnet sich ab, dass die neuen Segmente extrem viel Potenzial eröffnen: neue Entwicklungsfelder mit guten Wachstumschancen für die Unternehmen, die sich wie Pfizer hierfür positionieren, und mehr Autonomie für die Kunden.”
„Pharmaunternehmen müssen ihre Strategie an die neuen Marktkräfte anpassen”, erläutert Scheel die Herausforderung für die Branche. „Die Unternehmen müssen jetzt noch weiter denken und mit ‚buy and build' über ihre Branche hinweg, über ihr Stammgeschäft hinaus aktiv werden und lernen ihre Produkte als Bestandteil eines verbraucherspezifischen Paketes zu platzieren.”
Die Branche kommt aber auch auf einer anderen Seite unter Druck. Die Milliardenübernahme Pfizer/Allergan stößt in der US-Politik wegen der geplanten Verlagerung des Firmensitzes ins Ausland auf scharfe Kritik. Die Demokratin Hillary Clinton, die sich um die Präsidentschaftskandidatur ihrer Partei bewirbt, sagte, wegen der Nutzung von Schlupflöchern sei der „US-Steuerzahler der Dumme”. Ihr Rivale Donald Trump von den Republikanern kritisierte die Pläne als „widerlich”.
Pfizer will zumindest auf dem Papier den Firmensitz in die Allergan-Heimat Irland verlagern, wo ein Bruchteil der US-Unternehmenssteuern fällig wird. Gesteuert wird der Konzern weiter aus New York.

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