Ungesunde Medienberichte
© APA/Hans Klaus Techt
Gesundheitsjournalismus in Österreich bietet keine verlässlichen Informationen.
HEALTH ECONOMY ulli moschen 26.06.2015

Ungesunde Medienberichte

Medienstudie Die Plattform Medizin-Transparent.at untersuchte 1.000 Gesundheitsberichte in heimischen Zeitungen auf ihren Wahrheitsgehalt

Nur 11% der von Experten analysierten Artikel berichten adäquat, mehr als 60% übertreiben stark.

Krems an der Donau. Obst und Gemüse schützen vor Krebs, dunkle Schokolade macht weniger dick, Eier erhöhen den Cholesterinspiegel. Eine aktuelle Studie der Donau-Universität Krems belegt, wie wenig faktenbasiert österreichische Medien zu Gesundheitsthemen berichten. Das Team um Gerald Gartlehner, Professor für Evidenzbasierte Medizin, analysierte für das Online-Service Medizin-Transparent.at 990 Print- und Webartikel zu Gesundheitsthemen in österreichischen Tageszeitungen, Wochenmagazinen und Online-Medien.

Man kam zu dem Ergebnis, dass 60% der Artikel stark übertrieben über die Wirksamkeit von Behandlungen und Medikamenten oder die Aussagekraft von Studien berichten. Nur 115 der analysierten Artikel stimmten mit der aktuellen wissenschaftlichen Studienlage überein. Am meisten übertrieben wird bei Schönheitsthemen: 97,6% der Artikel zu kosmetischen Behandlungen oder Methoden zur Gewichtsreduktion stellen übertriebene oder falsche Behauptungen auf, wie etwa, dass Coenzym Q10 die Haut verjüngt, Cremes Cellulite bekämpfen und Schlafmangel zu Übergewicht führt.
Bernd Kerschner, Hauptautor der Studie, vermutet Zeitmangel als Grund für übertrieben Medienberichte. „Viele Journalisten haben zu wenig Zeit für eine tiefgehende Recherche und sind davon abhängig, verlässliche Informationen von vertrauenswürdigen Quellen zu bekommen. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die meisten Medien PR-Meldungen von kommerziellen Anbietern oft ungeprüft übernehmen. Dass Anbieter von Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln und medizinischen Behandlungen die Fakten zu ihren Gunsten übertreiben, sollte nicht verwundern.”

Professioneller Faktencheck

Der Landeshauptmann-Stellvertreter und -Vorsitzende des Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds NÖGUS, Wolfgang Sobotka, betonte als Sponsor die Wichtigkeit kritischer Instanzen: „Die Studienergebnisse sind ernüchternd und bestätigen die Wichtigkeit von unabhängigen Stellen mit objektiver Information wie Medizin-Transparent.at. Denn Laien können nicht abschätzen, ob das, was in der Zeitung oder im Internet steht, auch tatsächlich der Wahrheit entspricht. Der Faktencheck durch Medizin-Transparent.at zeigt, was wirklich hinter diesen Schlagzeilen steckt. Die Plattform Medizin-Transparent.at will eine wissenschaftlich fundierte, von der Gesundheitsindustrie unbeeinflusste Informationsquelle zu medizinischen Fragen zu sein.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL