Internationaler Wettlauf gewinnt künftig Tempo
INDUSTRIAL TECHNOLOGY britta biron 17.04.2015

Internationaler Wettlauf gewinnt künftig Tempo

Industrie 4.0 Die praktische Umsetzung läuft vergleichsweise zögerlich, Hauptgrund sind hohe Investitionskosten

Einerseits sehen die Unternehmen deutliche Vorteile, gleichzeitig aber auch wachsende Konkurrenz.

Hannover. Im Mittelpunkt der Hannover Messe, die heute zu Ende geht, stand klarerweise das Top-Thema Industrie 4.0. Dazu wurden neben einer Fülle von Produktinnovationen auch eine Reihe aktueller Studien präsentiert. So zeigt eine von der Bitkom durchgeführte Befragung von Unternehmen aus den Sektoren Automobil, Maschinenbau Chemie und Elektro, dass rund 40% bereits Industrie 4.0-Anwendungen eingesetzen, und weitere 18% dies zumindest schon planen. Nur für 14% ist Industrie 4.0 aktuell gar kein Thema.

Hinsichtlich der Erwartungen dominieren klar die Vorteile: Rund drei Viertel der Befragten glauben, dass Industrie 4.0-Lösungen die Abläufe in ihrer Fabrik optimieren können, 72% gehen davon aus, dass sich die Produktionskosten verringern lassen, weil die Effizienz durch den Einsatz von IT steigt. 71% erwarten durch IT eine bessere Kapazitätsauslastung, und 70% eine flexiblere Organisation der Arbeit. Gut die Hälfte der Unternehmen, die bereits Industrie 4.0-Anwendungen nutzen oder dies planen, erwarten zudem eine Umsatzsteigerung.Groß sind aber nach wie vor die Bedenken: Fast 80% halten die eigene Branche für zu zögerlich bei der Umsetzung von Industrie 4.0. Als Grund dafür wurden von 72% der Befragten die hohen Investitionskosten genannt. Winfried Holz, Mitglied des Bitkom-Präsidiums: „Wer seine Produktion für die Zukunft fit machen will, muss in aller Regel erst einmal investieren. Denn andernfalls wird es künftig keine moderne, effiziente Produktion mehr geben.”

Chancen jetzt nutzen

Wie sich Industrie 4.0 auf die volkswirtschaftlichen Zahlen auswirken könnte, hat eine Studie von Boston Consulting ermittelt. Sie prognostiziert allein für Deutschland bis zu 390.000 neue Arbeitsplätze, ein zusätzliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von rund 30 Mrd. Euro sowie ein Inves-titionsvolumen von 250 Mrd. Euro. Für Österreich geht die Studie von einem Wachstumseffekt von 3 Mrd. Euro jährlich aus, das entspricht einer Umsatzsteigerung der österreichischen Produzenten von rund 0,7% des BIP.„Die deutsche Industrie mit ihrem führenden Automatisierungsgrad hat alle Chancen, bei Industrie 4.0 ganz vorn mitzuspielen”, sagt Michael Rüßmann, BCG-Partner und einer der Studienautoren. Allerdings werden Software- und IT-Unternehmen eine zunehmende Konkurrenz für Industrieausrüster und Maschinenbauer. Markus Lorenz, BCG-Partner und Koautor der Studie: „Bei Partnerschaften mit IT-Unternehmen muss die Industrie deshalb darauf achten, eigenes Anwendungs- und Fertigungs-Know-how zu schützen. Gleichzeitig sollten die Unternehmen die eigenen Kompetenzen in der Softwareentwicklung weiter ausbauen.”„Österreichische Unternehmen sind gut aufgestellt, sie haben schon jetzt ein globales Mindset. In Zukunft könnten Kooperationen zwischen Unternehmen noch eine größere Rolle spielen, um neues Know-how aufzubauen”, so Hannes Pichler, Partner bei BCG. „Elementare Voraussetzung für den Erfolg ist dabei, schon jetzt in Bildung und Ausbildung zu inves-tieren, um die zunehmende Nachfrage nach gut ausgebildeten Mitarbeitern decken zu können.”Nach einer Umfrage des VDE schätzt aber die deutsche Industrie ihre Lage gegenüber der internationalen Konkurrenz deutlich weniger optimistisch ein: 70% bemängeln die unzureichende IT-Sicherheit, die Hälfte fehlende Normen und Standards.Und auch die wachsende international Konkurrenz bereitet Sorge: Waren vor zwei Jahren noch 51% überzeugt, dass Deutschland zur Industrie 4.0-Leitnation wird, glauben dies jetzt nur noch 40%, und man rechnet damit, dass der Digitalisierungwettlauf noch an Tempo gewinnen wird – mit Vorteilen für Amerika und Asien.

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