Unternehmen legen immer mehr Wert auf Patentschutz
© Europäisches Patentamt
INDUSTRIAL TECHNOLOGY britta biron 11.03.2016

Unternehmen legen immer mehr Wert auf Patentschutz

Die Anmeldungen beim Europäischen Patentamt sind 2015 deutlich gestiegen, vor allem von Firmen aus den USA und Asien.

Der Anstieg bei den Gesamteinreichungen (279.000/+1,6%) beim Europäischen Patentamt (EPA) sowie jener bei den Europäischen Patenten (160.000/+4,8%) ist für EPA-Präsident Benoît Battistelli ein klares Indiz dafür, „dass Europa ein sehr attraktiver Technologiemarkt und Innovationsstandort für Erfinder aus aller Welt und das Interesse von Unternehmern und Erfindern an qualitativ hochwertigem Patentschutz für den europäischen Markt hoch ist.”

Das betrifft vor allem Unternehmen aus den USA, deren Ein­reichungen mit 16,4 bzw 22,2% die höchsten Zuwächse verzeichneten.

Innovatives Europa

„Trotz des beeindruckenden Wachstums der außereuropäischen Anmeldungen haben die europäischen Unternehmen ihre positive Bilanz bei der Anmeldung ihrer Patente in den anderen Regionen bestätigt. Dies unterstreicht das innovative Potenzial der europäischen Wirtschaft”, ist Battistelli mit dem europäischen Erfindergeist zufrieden. Insgesamt blieb das Anmeldeaufkommen aus den 38 EPO-Mitgliedsstaaten nahezu stabil (+0,7%).

Besonders innovativ, wenn auch von niedrigem Niveau aus, zeigte sich Litauen (+62,5%), das mit 39 Anmeldungen im globalen Ranking jetzt auf Platz 49 liegt. Hohe zweistellige Zuwächse gab es auch in der Tschechischen Republik (+27,5%), in Portugal (+21,2%), und Polen (+17,8%). Erstmals seit vier Jahren kamen auch wieder mehr Patentanmeldungen aus Italien (+9%).
Die Zahl der europäischen Patent­anmeldungen aus Österreich stieg um 1,4% auf 1.992, das bedeutet insgesamt Platz 10 im EU-Ranking und Platz 14 im globalen Vergleich.
Borealis ist nach Zahl der Patente Spitzenreiter der österreichischen Innovatoren, gefolgt von Zumtobel, Tridonic, AMS und Grass.

Top-Thema Klimaschutztechnik

Medizintechnik war erneut das anmeldestärkste Technologiefeld beim EPA mit einem Zuwachs von 11%. Starke Zuwächse gab es auch im Sektor „Maschinen, Pumpen und Turbinen” (+18%), wobei sich hier viele Patentanmeldungen auf Klimaschutztechnologien beziehen, einem Sektor, in dem sich die Erfindungen zwischen 1995 und 2011 verfünffacht haben.

Aus Europa stammt mittlerweile nahezu ein Fünftel aller weltweiten Erfindungen in diesem Bereich. Bei Erfindungen mit hohem Wert, ­also Innovationen mit einem größeren wirtschaftlichen Potenzial, für die deshalb in mehr als nur einem Land Patentschutz beantragt wird, liegt der europäische Anteil sogar bei fast zwei Fünftel.
Mehr als 80% der europäischen Erfindungen in nachhaltigen Technologien gehen auf sechs Länder zurück, wobei Deutschland mit knapp der Hälfte der Erfindungen in Europa das Ranking anführt. Auf dem zweiten Platz liegt Frankreich, gefolgt von Großbritannien, Italien, Schweden und Spanien.

EU-Unternehmen an der Spitze

Geringere Anmeldezahlen europäischer Unternehmen registrierte das EPA im Bereich Digitale Kommunikation, wo sich das Minus im Vergleich zu 2014 auf 12% belief (im Gegensatz zum Gesamtwachstum des Bereichs von 3% in 2015). Gleiches gilt für „Biotechnologie” (EPO-Mitgliedsstaaten mit –6% bei einem Gesamtwachstum von +5%) sowie für Elektrische Maschinen, Geräte, Energie (–5% in Europa vs. –2% insgesamt).

Dennoch unterstrichen europäische Unternehmen ihr breit abgestütztes Patentportfolio: Sie vereinten in acht der zehn stärksten Technologiefelder die meisten Anmeldungen auf sich (nur in der „Medizintechnik” und „Computern” dominierten US-Firmen).
Insgesamt war Europa bei vielen Technologien führend. So lag die niederländische Firma Philips beim Anmelderranking in drei Gebieten an der Spitze („Medizintechnik”, „Elektrische Maschinen, Geräte, Energie” und „Messtechnik”). Bayer aus Deutschland befand sich an erster Position im Bereich der „Organischen Feinchemie”, und DSM mit Sitz in den Niederlanden meldete die meisten Patente in der „Biotechnologie” an.
Europas Stärke in Bezug auf Innovation und Technologie verdeutlicht sich ebenfalls beim Blick auf die Zahl der europäischen ­Patentanmeldungen in Relation zur Einwohnerzahl eines Landes: Die Schweiz führte die Rangliste mit 873 Anmeldungen pro Mio. Einwohner auch 2015 wieder an. Auf den Plätzen zwei und drei lagen die Niederlande (419) und Schweden (392), gefolgt von Finnland (365) und Dänemark (346). Der erste außereuropäische Staat im Ranking war erneut Japan an neunter Posi­tion.

EU-Einheitspatent ist startklar

Da die Nachfrage nach Patentschutz weiter wächst, bereitet sich Europa mit dem europäischen Einheitspatent auf eine bedeutende Reform seines Patentsystems vor.

Das Einheitspatent wird in nahezu allen EU-Staaten gelten und Unternehmen, die ihre Erfindungen EU-weit rechtlich schützen möchten, eine wesentliche Zeit- und Kosteneinsparung bieten.
Das EPA hat im Vorjahr alle Vorbereitungen für die Implementierung des neuen Systems getroffen. Mitte Dezember haben die am europäischen Einheitspatent beteiligten EU-Mitgliedsstaaten die letzten Vereinbarungen, darunter die Ausführungsvorschriften, die Haushalts- und Finanzordnung, die Höhe der Jahresgebühren sowie die Bestimmungen über die Aufteilung der Jahresgebühren, verabschiedet.
„In rechtlicher, technischer und operativer Hinsicht wären wir nun in der Lage, Einheitspatente zu gewähren. Der einzige noch verbleibende Schritt ist nun die Errichtung des Einheitlichen Patentgerichts”, erläutert Battistelli.
Dafür müssen noch vier EU-Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland und Großbritannien, das Übereinkommen über die Errichtung des einheitlichen Patentgerichts ratifizieren, das EPA ist aber zuversichtlich, dass dies noch heuer erfolgen wird.

Effizientere Strukturen

„Wir sind überzeugt, dass das Einheitspatent der Innovation in Europa zusätzlich Schubkraft verleihen und sich auf die europäische Wirtschaft positiv auswirken wird, besonders für die KMU”, formuliert Battistelli die Erwartungen.

Als Antwort auf die steigende Nachfrage nach Patentschutz in Europa hat das EPA in den vergangenen Jahren auch maßgebliche Schritte eingeleitet, um seine internen Strukturen zu modernisieren, seine Effizienz zu verbessern und gleichzeitig die Patentqualität weiter zu erhöhen.
Die Reformen betreffen verschiedene Bereiche, wie die Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten, die IT-Infrastruktur und die Personalpolitik des Amts.
Wie der Jahresbericht 2015 belegt, zahlen sich diese Maßnahmen bereits aus: Die Zahl der „Produkte” (darunter fallen durchgeführte Patentrecherchen und Prüfungsverfahren), die von den Patentprüfern des EPA erstellt worden sind, stieg 2015 um 14% auf 365.000.
Das EPA erteilte insgesamt mehr als 68.000 Patente, was einem Zuwachs von fast sechs Prozent gegenüber 2014 entspricht und gleichzeitig einen Rekordwert darstellt. Dabei bleibt die Patentqualität aber gewährleistet: Aufgrund der strengen Maßstäbe des Erteilungsverfahrens beim EPA ist nur aus 48% der Anmeldungen ein europäisches Patent hervorgegangen.

Ausbau des Schutzbereichs

Im vergangenen Jahr ist der Schutzbereich für europäische ­Patente weiter gewachsen und erfasst erstmals auch einen Staat ­außerhalb Europas.

Mit dem Validierungsabkommen zwischen Marokko und der Europäischen Patentorganisation, das mit 1. März des Vorjahres in Kraft getreten ist, wurde Marokko zum ersten Drittstaat, der die Rechtswirkung europäischer Patente auf seinem Staatsgebiet für gültig erklärt.
Ein weiteres Validierungsabkommen mit der Republik Moldau erlangte am 1. November 2015 Rechtskraft. Dies belegt die Attraktivität des europäischen Patentsystems, welches nun die Möglichkeit bietet, mit einer einzigen Patent­anmeldung in 42 Ländern Patentschutz zu erlangen.

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