Wie viel Luxuspotenzial ­haben Facebook, Twitter & Co?
© obs/White Communications/Izabela Habur
Die Marken selbst beteiligen sich derzeit noch wenig an den Luxus-Diskussionen in den sozialen Netzen. Topthemen bei den Usern sind Kleider, Unterwäsche und Schuhe.
LUXURY BRANDS&RETAIL britta biron 20.11.2015

Wie viel Luxuspotenzial ­haben Facebook, Twitter & Co?

Luxusmarken sind in Sozialen Netzwerken noch wenig aktiv, der Content stammt zum Großteil von den Konsumenten.

Brighton/Wien/Paris. Der gute Name ist eines der wichtigsten Assets der Luxusmarken. Und in den Aufbau und die Erhaltung ihres Images haben die Unternehmen entsprechend viel Zeit und Geld investiert. Seit Informationen über das Netz weltweit verbreitet werden, die Menschen ihrem Mitteilungsdrang in der digitalen Welt freien Lauf lassen, stehen auch Luxusmarken viel stärker im öffentlichen Rampenlicht, als ihnen vielleicht lieb ist.

Auf der anderen Seite bietet das World Wide Web den Unternehmen aber neue Möglichkeiten, mit ihren Zielgruppen zu kommunizieren und Produkte und sich selbst darzustellen.

„Bis vor wenigen Jahren zeigten Luxusmarken noch wenige Ambitionen in Richtung Social Media, nicht zuletzt aus Sorge um ihr Pres­tige und Markenimage. Denn die Unsicherheit war groß, wie und ob Exklusivität, Servicequalität und die Aura einer Marke in Social Media erhalten bleiben”, so Nils Maydell, Inhaber der auf Luxusmarken spezialisierten Wiener Marketingberatung M2 Communications.
Diese Zurückhaltung haben allerdings die meisten Player mittlerweile beiseite geschoben und twittern und posten ihrerseits.
Wie gut, das hat das Monitoring-Unternehmen Brandwatch untersucht, indem im August 721.140 Konversationen rund um 32 internationale Luxus- und Fashionbrands analysiert und in fünf Kategorien mit jeweils maximal 100 Punkten bewertet wurden. Und es sind interessanterweise zwei französische und besonders traditionsbewusste Marken, die dabei besonders gut abschneiden, nämlich Chanel und Dior (siehe Tabelle).

Noble Zurückhaltung

Allerdings pflegen die Marken auch im Netz noble Zurückhaltung.Auf gerade einmal 1.57 Tweets und 1,54 Posts pro Tag bringt es eine Luxusmarke im Schnitt. Andere Branchen sind da deutlich aktiver: Nahrungsmittel & Getränke (26,32 Tweets, 1,55 Postings), Non-Profit-Organisiationen (11,30 Tweets, 2,74 Postings), TV-Anstalten (26.32 tweets, 8,55 Postings).
Auch die Möglichkeit, mit der Community direkt zu kommunizieren, nutzen die Luxusmarken erst in Ansätzen. So werden im Schnitt täglich nur 0,08 Postings. 0,11 Tweets und 0,40 Kommentare reagiert.
„In den nächsten Jahren wird das Engagement der Unternehmen aber zunehmen, da der Einfluss der Sozialen Netzwerke weiter steigen wird”, ist Adam Edwards, Social Media-Experte von Brandwatch, überzeugt.

Qualität statt Quantität

Ergänzend zur globalen Untersuchung hat Brandwatch auch die Aktivitäten von 27 deutschen Luxusmarken, darunter Faber Castell, Hugo Boss, Montblanc, Audi oder Leica, analysiert. Auch dabei zeigt sich, dass das Potenzial der Sozialen Netzwerke erst in Ansätzen genutzt wird.
Zwar sind fast 90% der Unternehmen präsent, ein Drittel davon sogar auf fünf oder mehr Plattformen – das beliebteste Netzwerk ist Facebook. Fast zwei Drittel veröffentlichen allerdings nur zwischen einem und zehn Posts pro Woche. Und ebenso wie bei den globalen Brands findet kein besonders intensiver Austausch mit den Communities statt.
Ein generelles Manko sieht Maydell in der niedrigen Posting- und Reaktionsrate allerdings nicht: „Hier liegt die verborgene Kunst der Führung einer Luxus- oder Premiummarke. Diese ist selektiv und wird nicht ihre Klientel mit Postings überfluten. Es geht um das Entdecken, einen Einblick zu bekommen, ohne Geheimnisse preiszugeben. Das vermindert zwar bis zu einem gewissen Grad einen Dialog, bedeutet aber nicht, dass die Marke nicht responsive ist.”
Überhaupt gebe es keine Regel dafür, wie häufig oder regelmäßig Unternehmen in den ­Sozialen Netzwerken aktiv sein müssen, um deren Vorteile zu nutzen.

Schmucker Auftritt

Stellvertretend für die österreichischen Luxusmarken hat medianet freywille zum Thema ­Social Media befragt.
„Wir posten vier bis fünf Mal in der Woche. Die Posts spiegeln einerseits unsere Philosophie wider, andererseits möchten wir unseren Kunden und Fans mit regionalen Tipps oder Empfehlungen, die einen Bezug zur Marke haben, einen gewissen Mehrwert bieten. Für uns, die wir luxuriöse Schmuckstücke mit künstlerischen Designs kreieren, bedeutet das konkret einen Mix aus Produktfotos und speziellen Shootings, Hinweise auf Kulturthemen, Tipps zu Konzerten, Ausstellungen sowie Lifestyle- und Modethemen”, erläutert Katharina Adametz, Head of Communications beim Wiener Luxusunternehmen.
Anders als der Großteil der Konkurrenz, hält man es mit der Reaktion auf Postings und Kommentare: „Darauf wird zum einen immer, zum anderen so rasch als möglich reagiert – maximal innerhalb von 24 Stunden. Das ist das Um und Auf, andernfalls wäre es obsolet, Facebook als Unternehmen zu nutzen. Kunden nutzen die Aufmerksamkeit der Community beispielsweise gern, um Beschwerden mehr Gewicht zu geben, daher darf man sich hier keine Fahrlässigkeit erlauben”, erläutert sie.

Facebook dominiert

Ebenso wie bei den internationalen und deutschen Brands liegt auch bei freywille der Schwerpunkt auf Facebook.
„Der Content kann optimal dargestellt und mit Bildmaterial verknüpft werden, was für uns als Schmuckmarke ideal ist, da unsere Themen visuell am besten dargestellt werden”, so Adametz weiter.„Momentan widmen wir uns aus ähnlichen Gründen auch ver­stärkt Instragram.” Eine nach Ansicht von Alexander Hirnigel, Chef der Agentur PR International, richtige Strategie:
„Instagram spielt, besonders für Luxusgüter, eine immer größere Rolle”, sagt er, und sieht in Blogger-Relations einen weiteren Faktor, mit denen die Brands ihre Beziehungen in den Sozialen Netzwerken stärken können. „Das Interessante dabei ist, dass die Blogger nicht nur über die eigenen Plattformen kommunizieren und viele Menschen erreichen, sondern dass sie auch selbst als Person im Rampenlicht stehen. Das Spektrum der Inszenierung reicht von Interviews und Foto-Shootings in klassischen Medien bis hin zu Testimonial-Auftritten und Werbekampagnen.”
Immerhin 64% des gesam­ten Contents zum Thema Luxus stammen laut des Social Media Monitoring-Unternehmen Digimind von Bloggern.

Filme ziehen besonders

Generell dominieren Bilder mit die Social Media-Aktivitäten der Luxusbranche. Videos spielen laut der Brandwatch-Analyse mit 11,51% noch eine vergleichsweise kleine Rolle, allerdings kann man damit bei der Community besonders punkten.
Das sieht man bei Cartier offenbar auch so und hat vor Kurzem den neuen Imagefilm „All about Diamonds” im Netz gelauncht. Diesmal spielt keine Raubkatze die Hauptrolle, sondern Topmodel ­Karen Elson.
Auch von Hermès findet man vor allem Bilder, seit Kurzem aber auch witzige neue Wortkreationen wie „Jalousele” (flüchtige Eifersucht) oder „Aparesse” kreativer Müßiggang). Die kurzen Clips aus Fotografien, Filmen oder animierten Bildern zeigen Alltags­situationen in einem ungewohnten Zusammenhang und thematisieren auf witzig-spitzfindige Art emotionale Gefühlslagen, für die bisher vielleicht tatsächlich die Worte gefehlt haben.

Masse vs. Klasse

Und wie sieht die Zielgruppe die Sozial Media-Aktivitäten der Luxusmarken? Dazu liefert eine Untersuchung von White Communications aus München Antworten. Demnach wollen 26% der Heavy- Käufer (Personen, die regelmäßig oder ausschließlich hochpreisige Premiummarken kaufen) ihre Luxusmarke auf jeden Fall in Sozialen Netzwerken wiederfinden. Deutlich mehr, nämlich 50%, finden, dass Facebook, Twitter & Co nicht zur Exklusivität von Nobelbrands passt.
Allerdings darf man annehmen, dass Menschen, denen ausschließlich Luxus in die Einkaufstasche kommt, sich auch dann nicht davon abhalten lassen, wenn die Hersteller der begehrten Ware trotzdem diese Kanäle nutzen.
Und selbst wenn sie es bleiben ließen, die Online-Plauderei könnte nur durch einen Totalausfall des Netzes gestoppt werden. Denn 99,63% des luxusaffinen Con­tents in der digitalen Welt stammen, so die Brandwatch-Untersuchung, nicht von den Brands selbst.

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