Das Elend mit dem Kollektivvertrag
© Christian Anderl
MARKETING & MEDIA PAUL CHRISTIAN JEZEK 10.02.2017

Das Elend mit dem Kollektivvertrag

Die Wiener Fachgruppe Werbung und die GPA-djp befleißigen sich feinster Klassenkampfrhetorik.

••• Von Paul Christian Jezek

WIEN. Die Historie zu einem – immerhin möglichen – halbwegs aktuellen und sowohl für Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer vertretbaren Kollektivvertrag für die Wiener Werbe- und Marktkommunikationsbranche ähnelt zunehmend einer unendlichen Geschichte.

Immerhin fand die erste Verhandlungsrunde zwischen der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) und den Vertretern der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation in der Wirtschaftskammer Wien bereits Ende November des Vorjahres statt, als das gewerkschaftliche Verhandlungsteam eine Anhebung der Mindestgrund- und Ist-Gehälter um 2,3% plus 8 Stunden Zeitguthaben im Wert von 0,7% und damit ein Gesamtvolumen von +3% einforderte.
Für die Fachgruppe war das „nicht akzeptabel”. „Der KV Werbung und Marktkommunikation gilt derzeit nur im Bundesland Wien”, erklärte Obmann Stephan Gustav Götz. „Durch diese marktverzerrende Situation wäre ein Abschluss von plus 3% ein weiterer Wettbewerbsnachteil … Umso wichtiger ist es, weiter an einem zeitgemäßen KV für ganz Österreich zu arbeiten.”

Einen KV braucht das Land

Den nächsten Versuch gab’s knapp vor Xmas und er endete mit keinem Weihnachtsfrieden.

Die Gewerkschaft lehnte die von der Fachgruppe in Aussicht gestellte „maßvolle Einigung” von 0,7% erneut ab, kritisierte Götz. Es brauche einen KV, der der heutigen Arbeitsrealität entspricht: „Auch die Ansprüche der Arbeitnehmer an die Arbeitgeber haben sich geändert; dem müssen wir unbedingt Rechnung tragen. Der jetzige KV ist älter als 40 Jahre und keinesfalls mehr zeitgemäß.”
Wirtschaftsbund-Obfrau Birgit Kraft-Kinz legte verbal nach: „Unsere Mitglieder haben uns genau gesagt, was sie sich wünschen und von einem zeitgemäßen Kollektivvertrag erwarten. Ich glaube, die Gewerkschaft hat keine Ahnung, was ihre Mitglieder wirklich wollen.”

„Null Bock auf Nulllohnrunde”

Anfang Februar 2017 trachtete dann wieder die Gewerkschaft nach der Deutungshoheit über den Willen der Arbeitnehmer.

„Wir verdienen mehr! Geld – Respekt – Kommunikation!”, forderten „Hunderte Betriebsräte, Beschäftigte und Unterstützer” lautstark am Schwarzenbergplatz. „Die Inflation ist gestiegen, der Branche geht es gut, das beweist das Durchschnittswachstum von 4,6% im Vorjahr 2016”, sagte Kurto Wendt, Verhandlungsleiter der Arbeitnehmer. „Trotzdem weigern sich die Arbeitgeber, auch nur einen Cent an ihre Angestellten weiterzugeben. Wir haben null Bock auf eine Nulllohnrunde, wir fordern Verhandlungen über faire Gehaltserhöhungen jetzt!”
„Die heutige Demonstration einiger Gewerkschaftsfunktionäre” habe man seitens der Fachgruppe genutzt, um „erneut zur gemeinsamen Ausarbeitung eines Kollektivvertrags Neu einzuladen”. Leider wurde die Einladung erneut ausgeschlagen, klagte Götz. Trotz eines Kollektivvertrags, welcher der Arbeitsrealität der 1970er-Jahre entspricht, sei die Arbeitnehmerseite nach wie vor nicht bereit, über eine Neugestaltung zu reden. Besonders widersinnig sei es, dass „die Gewerkschaft heute in Wien auf die Straße geht und ausgerechnet dort protestiert, wo man versucht, mit einem zeitgemäßen KV mehr Sicherheit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu schaffen – außerhalb Wiens akzeptiert die GPA-djp einen komplett KV-losen Zustand!” To be continued …

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