Gewista-Chef übergibt an die nächste Generation
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MARKETING & MEDIA Dinko Fejzuli 02.12.2016

Gewista-Chef übergibt an die nächste Generation

Nach zwanzig erfolgreichen Jahren an der Spitze verabschiedet sich Karl Javurek in den Ruhestand.

••• Von Dinko Fejzuli

Wie Karl Javurek den ersten Werktag im neuen Jahr verbringen wird, weiß er noch nicht. Er möchte etwas leiser treten, Urlaub machen und eine Regenerationsphase einlegen, sagt er. 2017 wird dann ­Infoscreen-Geschäftsführer Franz Solta Javureks Platz an der Gewista-Spitze einnehmen.

„Mach weiter”

Ins Unternehmen eingetreten ist Karl Javurek 1996. Der Arbeitsauftrag damals an ihn: „Mach weiter!”, erzählt Javurek mit einem Lächeln. „Die Gewista war schon damals ein gesundes Unternehmen. 1974 ist sie aus dem städtischen Magistrat ausgegliedert und in die neu gegründete Wien Holding inte­griert worden. Diese hielt 51 Prozent an der Gewista, die restlichen Anteile entfielen auf die Progress ­Werbung und die IWG. 1993 wurden die Mehrheitsanteile von der Bank Austria übernommen.”

Auch der Grundstein für die Internationalisierung war schon 1990 gelegt worden: Gemeinsam mit dem Unternehmen Mahir und der städtischen Vermögensverwaltung Budapest übernahm die Gewista die ungarische Firma Europlakat. Im selben Jahr wurden in Prag und Bratislava Tochterfirmen gegründet. Javurek: „1996 begann der Konsolidierungsprozess der österreichischen Plakatlandschaft mit der Übernahme der Progress Werbung, deren Geschäftsführer ich war, durch die Gewista. So gewann man weitere Plakatflächen in den Bundesländern hinzu, und das nationale Netz konnte weiter ausgebaut werden”, so Javurek.
„Im Jahr 2000 leitete ich die Internationalisierung des Unternehmens ein”: Der französische Außenwerbekonzern JCDecaux übernahm die IWG Holding und damit 16% an der Gewista sowie die 51% Anteile der B&C Holding und hält bis heute 67% am Unternehmen. Die restlichen 33% liegen bei der Progress Beteiligungsgesellschaft.
In dieser langen Zeit hat sich auch die Branche stark verändert – und Karl Javurek war einer der Treiber dieser Veränderung. Weniger als die Hälfte des damaligen klassischen Plakatvolumens kann man heute noch buchen, die andere Hälfte wurde im Zuge einer Qualitäts- und Optimierungsoffensive bereinigt. Stattdessen bestimmen nun Citylights, Rolling-Boards, Verkehrsmittelwerbung, Station Branding und Total Brandings das Bild der Außenwerbung mit.

Prozess der Entpolitisierung

Javurek über die Anfänge seiner Tätigkeit: „Eine der wichtigsten Aufgaben war es, eine Gesellschafterstruktur zu gestalten, die den neuen Anforderungen gerecht wird. Die Gewista ist daher einen Prozess der Ent­politisierung eingegangen. Früher waren 49% der Anteile sozialpartnerschaftlich aufgeteilt. Nunmehr setzt sich die Eigentümerstruktur im Wesentlichen aus internationalen, langfristig agierenden Mehrheitsgesellschaftern, dem größten dynamischen Out-of-Home-Unternehmen JCDecaux und einem Investor, der Wiener Städtischen Versicherung, zusammen.”

In die Schnittstelle

Javureks erstes Projekt, das er für die Gewista umsetzte, war Infoscreen: „Out-of-Home ist Werbung und Marktkommunikation pur – ein contentfreies Medium. Wir haben Infoscreen bewusst in die Schnittstelle zwischen digitaler Illustrierter und OOH gesetzt und somit ein eigenes Medium definiert. Das war damals nicht alltäglich und eine Entwicklung, die es außerhalb von Österreich oder Deutschland nirgends gegeben hat. Gleichzeitig hat dieses Projekt schon angedeutet, in welche Richtung die Reise gehen wird.”

Mit der Gründung der Firma Infoscreen Austria GmbH für elektronische Werbung in der Wiener U-Bahn startete man 1998 bei der Gewista in die Ära der elektronischen Außenwerbung.
Im Konzern JCDecaux sei die Gewista das einzige Unternehmen, das ein Contentmedium betreut, so Javurek – eine erfolgreiche Innovation, die sich im Konzern dennoch zunächst einmal durchsetzen musste: „Jedes globale Unternehmen ist auch in kleineren Märkten gut beraten, neue Dinge auszuprobieren. Wir haben Gott sei Dank wenig Fehler gemacht, und die fast schon freundschaftliche Beziehung zum Konzernchef und das gegenseitige Vertrauen hat sicherlich viel möglich gemacht: Infoscreen hat sich fantastisch entwickelt”, so der scheidende Gewista-Generaldirektor.
Damit informiert und wirbt Infoscreen seit gut 18 Jahren in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Selbst in Zeiten der Wirtschaftskrise konnte und kann das neue Medium ein kontinuierliches Wachstum verzeichnen; lediglich in einem einzigen Jahr der Firmengeschichte konnte man nicht zulegen.

Strategien gegen die Krise

Von den Erschütterungen der Wirtschaftskrise war allerdings auch die Gewista betroffen: „Im intermedialen Wettbewerb haben wir die Krise gespürt, mussten sie aber nicht in dem Ausmaß miterleben wie andere – und wir haben einige Strategien entwickelt, mit denen wir dagegenhalten konnten. Unter anderem haben wir das Medium Out-of Home auf mehreren Ebenen weiterentwickelt und damit den Markt mit neuen, innovativen Produkten weiter belebt. Wir haben uns nicht an uns, sondern an den Kunden orientiert und uns gefragt: Was braucht der Kunde, was für eine Kommunikationslösung wird benötigt, um am Markt gehört zu werden?”, so Javurek.

Digitale Orientierung

Man begann also, Angebote zu machen, die über das eigene Produktportfolio hinausgingen.

Als erstes Unternehmen etablierte man so im Jahr 2009 den Bereich „Innovative & Ambient Media”. Dementsprechend konnte man auch heuer beim VAMP Award wieder abräumen: Von 30 ausgezeichneten Arbeiten stammen zehn entweder von der Gewista selbst oder sie war als Partner mit an Bord. Vor zwei Jahren, so Javurek, begann die digitale Ausrichtung des Unternehmens: „Wir entwickeln uns hin zu einem Digital Out-of-Home-Unternehmen. Digitale Produkte verbinden sich mit der realen Welt. Mobile Marketing, Beacons, Virtual Reality … das sind alles Bereiche, die zeigen, wie die neue digitale Welt in einem hohen Ausmaß mit dem ­Außenbereich verschmilzt.
OOH ist das ideale Medium, um kostengünstig hohe Reichweiten aufzubauen. Wir können Interessen lenken und direkt und unmittelbar in die Welt des Mobile Marketing überführen, wo sofort Interaktion stattfinden kann.”

Der öffentliche Raum

Andere Medien waren für die Gewista auch in den Zeiten nach der Krise nicht von Interesse. Allerdings fand man in den vergangenen Jahren immer wieder Berührungspunkte zu anderen Themen des öffentlichen Raums: „Für die Stadt Wien haben wir 2003 das Gratisfahrradkonzept ‚Citybike Wien' entwickelt. Wir haben ein komplexes, digital vernetztes System geschaffen, das in der Folge auch von anderen Städten übernommen wurde.”

Eine seiner jüngsten Initiativen ist jene mit der Stadt Wien und dem Verein Puls, als man eine Kampagne für den Einsatz von Defibrillatoren entwickelte. Als Kooperationspartner für das Projekt gewann man hier die Kronen Zeitung.
„Wir sehen uns als Bestandteil des öffentlichen Raums – und wir haben wir eine große Verantwortung. Insbesondere in Wien, aber natürlich auch in anderen Städten”, erklärt Javurek die Beweggründe dafür, sich in einem Feld zu engagieren, in dem man auf den ersten Blick keinen Außenwerber vermuten würde.

Neuer Typus Mitarbeiter

„Immer wenn jemand dank Einsatz eines Defibrillators gerettet wird, wird darüber in den Zeitungen berichtet. So schaffen wir eine breite Öffentlichkeit für das Thema.”

Nun komme eine neue Dimension dazu, erzählt der scheidende Generaldirektor über ein weitere Engagement der Gewista: „Die ‚Helfer Wiens', die Vereinigung von Organisationen wie Feuerwehr oder Rettung, erhalten eine App; sie erklären sich dazu bereit, dort einzuspringen, wo Not am Mann ist. Erleidet ein Passant einen Herzanfall, und ein Anruf geht bei der Rettung ein, erhält jener Helfer eine Nachricht, der dem Unfallort am nächsten ist. Er kann Erste Hilfe leisten, während gleichzeitig ein zweiter Helfer kontaktiert wird, der zur nächsten öffentlichen Defibrillatorenstelle läuft. So können Menschenleben gerettet werden – eine sinnvolle Partnerschaft im Sinne eines öffentlichen Anliegens.”
Javurek blickt auf eine erfolgreiche Zeit bei der Gewista zurück – warum schließt er dann jetzt die Tür und ein neues Kapitel seines Lebens auf? „Es ist ein Prozess, den ich selbst angestrebt habe. Das Unternehmen bewegt sich hin zur digitalen Welt. Es braucht einen neuen Typus von Mitarbeitern, sie müssen die analoge mit der digitalen Welt verknüpfen können. Ich glaube, dass die Nachfolgegeneration für dieses Projekt besser geeignet ist. Es ist für das Unternehmen sicherlich gut, einen Generationsschub zu erhalten.”
Javureks Nachfolger, Infoscreen-GF Franz Solta, wird mit Anfang 2017 Geschäftsführer der Gewista. In diese Entscheidung, auf wen nämlich die Wahl als Nachfolger fällt, war Javurek nicht involviert. „Ich hätte das nicht für vernünftig gehalten, wenn der Vorgänger bei der Neubestellung des Nachfolgers mitredet.” Sehr wohl habe er aber dem Eigentümer seine Sicht dessen dargelegt, wie das Profil des oder der Neuen aussehen sollte. Mit Solta als Nachfolger sei er „mehr als einverstanden – und sehr froh, dass die Entscheidung so gefallen ist”.

Freiheit und Balance

Seit bekannt ist, dass Javurek die Gewista verlässt, habe es einige Angebote anderer Unternehmen gegeben; Javureks Wissen, seine Kontakte und seine Kenntnis des Markts sind gefragt. Ein Fulltime-Job werde es allerdings nicht mehr werden: „Zunächst bin ich einfach wieder nur Karl Javurek. Ich werde alles sichten und dann eine Entscheidung treffen. Ich möchte auch nicht mehr den gleichen Arbeitsaufwand haben, sondern Freiheit gewinnen und die Balance finden. Ich bin zwar jung geblieben, aber meine Geburtsurkunde lügt nicht. Ich habe hier im Unternehmen ein paar Ehrenrunden angehängt; jetzt ist es aber okay, ein neues Kapitel aufzuschlagen.”

Erfahren sie mehr über Gewista hier auf xpert.network.

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