„Good News“ als  Geschäftsmodell"
© APA/EPA/Peter Kneffel
Medienwirkungsforscher haben die Macht der Medien in den letzten Jahrzehnten völlig unterschiedlich eingeschätzt. Glaubte man in den ersten Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg noch an eine Allmacht der Medien, zeigte vor allem die Wahlforschung in den 1950er- und 1960er-Jahren, dass die Medienwirkung weitaus schwächer ist als zuerst angenommen. Forscher stellten daher nicht mehr die Frage: Was machen Medien mit uns, sondern drehten den Spieß um in „Was machen wir mit den Medien?” Entstanden ist in dieser Zeit auch der sogenannte Nutzenansatz („Uses and Gratification Approach”). Er zeigte, dass Rezipienten die Medien nach ihren höchstpersönlichen Bedürfnissen nutzen. Auch für den „Constructive Journalism” spielt dieses Paradigma ein Rolle. In den 1980er- Jahren zeigte sich dann, dass Medien in erster Linie Themen setzen (Agenda Setting), nicht aber die Meinung direkt beeinflussen können. Nach 2000 wurde das Schwergewicht auf Interaktion gelegt. In einer fragmentierten Öffentlichkeiten (Social Media, etc.) wirken Medien vor allem, indem sie den Rahmen vorgeben.
MARKETING & MEDIA 27.11.2015

„Good News“ als Geschäftsmodell"

Gute Nachrichten will angeblich niemand lesen oder dafür bezahlen...

••• Von Norbert Regitnig-Tillian

Medienwissenschaftler nehmen derzeit den Trend zum „Constructive Journalism” wahr. Das heißt, im Zentrum der Berichterstattung stehen nicht mehr die „schlechten Nachrichten” nach dem Motto „onlybadnewsisgoodnews”, sondern der konstruktive und lösungsorientierte Journalismus, der mehr zu bieten verspricht als Skandale und publikumswirksame Dramolette. Die Krux an diesem gut gemeinten Ansatz ist freilich, dass viele empirischen Untersuchungen zeigen, dass die guten Nachrichten, so wie es der Medienforscher Matthias Karmasin ausdrückt, „niemand lesen will, wie sie einfach lang­weilig sind”.

Denn auch wenn es sich um ein gesellschaftlich relevantes Thema handle, etwa um die Beschreibung und Bearbeitung des Themas Nachhaltigkeit im Schlepptau des Klimawandels und seiner Folgen, würde daher der konstruktive Journalismus zum Scheitern verurteilt sein. Denn nur positiv, so ­Karmasin, sei genauso schlecht wie nur negativ.

Nachhaltig wirtschaften

Die St. Pöltner Verlegerin Roswitha Reisinger, geschäftsführende Gesellschafterin des Lebensart-Verlags in St. Pölten und Chefredakteurin von Businessart, will diese Meinung freilich so nicht gelten lassen. Sie und ihr Team versuchen das Thema Nachhaltigkeit mit lösungsorientiertem Journalismus zu bearbeiten und das habe, so Reisinger, langfristig mehr Erfolg als die „schlechten Nachrichten”. Der Grund. „Bad News sind zwar sicher dazu gut, um schneller Aufmerksamkeit zu bekommen, da sich Menschen direkter angesprochen fühlen von Schwierigkeiten – vor allem, wenn man sie skandalisiert und dramatisiert.” Mit diesem Ansatz gebe es aber eine Gefahr: „Unser Gehirn ist darauf programmiert, auf Gefahren zu reagieren. Der Säbelzahntiger, dem wir damit zu entkommen trachten, läuft aber nicht mehr herum.”

Erfolgreich in der Nische

Heute gehe es daher vielmehr darum, das Denken von Grund auf zu verändern. Und dafür würde sich eben der Ansatz des ­lösungsorientierten Journalismus weit besser eignen, als Alarmismus und mieselsüchtiges Jammern.

Alles recht schön und gut, könnte man dazu sagen. Aber kann man mit diesem pädagogischen Antrieb auch Geld verdienen? ­Reisingers Antwort fällt pragmatisch aus: „Auch wenn wir ein Nischenprodukt sind, ja. Sonst würden wir nicht überleben. Unsere Leserinnen und Leser sind an der Lösung von gesellschaftlichen Herausforderungen interessiert. Wir sprechen die Themen an, die die Leute betreffen. Wir helfen ihnen dann auch, die richtigen Entscheidungen zu treffen.”
Liegen die Medienforscher also falsch? Reisinger gibt ihnen zumindest in einem Punkt recht: „Nachhaltig” ist das Thema Nachhaltigkeit noch nicht in den Legacy-Medien angekommen. Auch wenn Klimawandel und Klimaschutz heute von vielen als wichtig erachtet wird, hat sich durch die langjährige Berichterstattung, die zwischen Alarmismus und Greenwashing hin- und herpendelte, eine Art Überdrüssigkeit beim Publikum eingestellt. „Unternehmen wie Politik machten häufig nur Ankündigungspolitik. Da haben die Leute dann immer öfter die Ohren einfach zugeklappt.”

Wirtschaftskrise als Förderer

Heute gehen zumindest Unternehmen wesentlich sorgsamer mit dem Thema in der Kommunikation um. Vor allem die Trendsetter, die wirklich etwas bewegen wollen, gehen erst dann die Öffentlichkeit, wenn sie tatsächlich etwas geschafft haben. Als Beispiel führt Reisinger etwa die Allianz-Versicherung an, die ihr gesamtes Portfolio vom WWF in Sachen Nachhaltigkeit kontrollieren ließ. „Diese Entwicklung ist zwar nicht in allen Branchen so, aber viele haben sich schon auf den Weg gemacht.”

Interessanterweise, so Reisinger, habe die Wirtschaftskrise den Trend zur Nachhaltigkeit in der Wirtschaft befeuert. „Gerade bei der alljährlichen Wahl der nachhaltigen Gestalterinnen und Gestalter sieht man in der Gegenwart eine unglaubliche Vielfalt an Unternehmen und eine große Diversität von Branchen und Geschäftskonzepten. Da hat sich viel verändert.”
Um dem Thema Nachhaltigkeit mehr ­Öffentlichkeit zu verschaffen, könnten interessanterweise vor allem der Hype um junge Unternehmen, den Start-ups, zu Hilfe kommen. „Viele Start-ups stellen sich heute schon von vornherein als nachhaltiges Unternehmen auf und bringen Innovation, auch für etablierte Unternehmen.”

Klimawandel der anderen Art

Das Thema Nachhaltigkeit und der lösungsorientierte Ansatz haben freilich ihre inhaltlichen und ökonomischen Grenzen. Das musste auch Reisinger schon sehen. Denn während das Thema Klimawandel, Start-ups & Co gut ankommen – jeder Einzelne hat das Gefühl, in diesem Bereich etwas tun zu können –, wurde die lösungsorientierte Berichterstattung zum Thema „Migration” von den Leserinnen und Lesern weit weniger goutiert.

„Auch wenn das Thema als gesellschaftlich wichtig eingestuft werden kann, lässt es sich weit schwieriger kommunizieren”, sagt Reisinger. Der Grund: Lösungen zum Thema Migration bringen einen weit geringeren persönlichen Nutzen mit sich, sondern lösen vielmehr Ängste aus und bergen Konfliktstoff in sich. „Wenn ich mir ein cooles eBike kaufe, dann ist das eine tolle Sache, das hat ein gutes Image und ich habe einen persönlichen Nutzen”, sagt Reisinger. „Bei Migration geht es um das Zusammenleben von unterschiedlichen Kulturen, da kommen die Nachbarschaftskonflikte dazu und wer will sich damit schon gern konfrontieren.” In diesem Zusammenhang scheint das Publikum noch „oldfashioned” zu ticken. Erzwingen kann man offensichtlich nichts, auch wenn es gut gemeint wäre.

Medienmacht

Ob man aber jemals mit lösungsorientiertem Journalismus und ab und zu recht sperrigen Nachhaltigkeitsthemen aus der Nische herauskommen wird? Reisinger gibt sich da optimistisch: „Jeder große Trend beginnt in einer Nische.” Der Gradmesser dafür ist ­Hollywood: „Sobald Hollywood Themen in den Filmen lanciert, ist dieses im Mainstream angekommen und wird ‚in'.”

Und manche Themen sind bereits so im Mainstream angekommen. Zum Beispiel das Elektroauto Tesla. Noch sei dieser batteriebetriebene Sportwagen der Superklasse – er hat fast Formel-1 Beschleunigungswerte und eine Reichweite bis zu 1.000 Kilometer – viel zu teuer. Aber für nachhaltige Elektromobilität zeigt dieses Fahrzeug eines: „Elektromobilität ist schon cool und wird es noch mehr werden, wenn sie günstiger wird.” Für das Thema Elektromobilität ist das ein Glücksfall, denn: „Nachhaltigkeit darf auf keinen Fall rückwärtsgewandt als Retrotrend verstanden werden.”
Und wenn man das verstanden hat, dann könne man auch weiterhin als Verlegerin mit Good News und dem Thema Nachhaltigkeit Geld verdienen..

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