Von der Tea Time hin zur Agenturgründung
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MARKETING & MEDIA dinko fejzulijürgen hofer 26.06.2015

Von der Tea Time hin zur Agenturgründung

Fünfergespann Was Anfang des Jahres mit der Tradition des Salons samt Tea Time begann, mündete nun in einer Agenturgründung: Die fünf kreativen ­Schwergewichte von „Merlicek & Grossebner” sprachen mit medianet über ihre Ansprüche und Pläne mit der neuen Agentur.

Wien. „Es hat noch nie eine so junge Agentur mit gleichzeitig so viel Erfahrung gegeben”, werden wir zum Interview mit der derzeit wohl meist beäugten Neugründung in der Kreativbranche Österreichs am Standort Kirchengasse 3 begrüßt, wo seit Kurzem „Merlicek & Gross-ebner” ihre Büroräumlichkeiten bezogen haben.

Dahinter stehen – wie der Name der neuen Agentur unweigerlich verrät – Franz Merlicek, Rosa Haider-Merlicek, Lukas Gross-ebner, Peter Mayer und Johannes Newrkla – mit Ausnahme von Mayer allesamt Werber mit Demner, Merlicek & Bergmann-Vergangenheit. Eben diese – mit der fristlosen Entlassung von Haider-Merlicek und dem folgenden Ausscheiden ihres Mannes Anfang des Jahres – ermöglichte erst die Agenturgründung in dieser Besetzung.
„Rosa hat zu Beginn des Jahres die Tradition des Salons und der Tea Time aufleben lassen”, erläutert Merlicek. So habe man Freunde, Bekannte bis hin zu Agenturverantwortlichen zu sich eingeladen, um über die (gemeinsame) Zukunft nachzudenken.
„Dieser Austausch hat uns enorm geholfen, wieder Fuß zu fassen und das Spielfeld neu zu definieren, auf dem man mir zuletzt die Mitspieler und das Publikum wegnahm und zu guter Letzt auch das Flutlicht abdrehte”, ergänzt Haider-Merlicek. Von Überlegungen eines Home Offices mit Freelancern bis hin zu einer Agenturgründung kreisten die Gedanken, bis Lukas Grossebner ins Spiel kam. „Eine Zeit lang war völlig offen, was wir tun werden. Aber es war schon klar, nicht nur als ‚Merlicek' oder ‚Merliceks' etwas tun zu wollen, sondern gemeinsam mit jungen Leuten durchzustarten. Und der Lukas hat ja eine Zeit lang so ziemlich alles gewonnen”, so Merlicek.
Dann kam Peter Mayer – gemeinsam mit Grossebner im Vorjahr zu Heimat, Berlin nach Deutschland gegangen – an Bord. Er hatte sich bei Merlicek noch zu dessen D,M&B-Zeiten im Frühsommer 2014 vorgestellt und ihn „sofort begeistert”. Damals konnte er ihn aber, so Merlicek, „Gott sei Dank” nicht überzeugen, womit er jetzt vermutlich nicht verfügbar gewesen wäre.
Und mit Johannes „Jani” Newrkla fand man einen kreativen Strategen, der neben vier anderen Kreativen auch die wirtschaftliche Seite verantworten soll und der in seiner Agentur Bluetango auch räumliche Kapazitäten zur Verfügung hatte, da er viel mit freien Mitarbeitern werkte. Bluetango selbst werde in den nächsten 1-2 Jahren in der neuen Agentur Merlicek & Grossebner aufgehen, an der Franz Merlicek, Lukas Grossebner und Johannes Newrkla jeweils gleich große Anteile halten, Peter Mayer besitze „etwas weniger”, so die anderen. Haider-Merlicek wird ihre Anteile mit Anfang 2016 übernehmen, da sie sich aktuell noch in einem Rechtsstreit mit D,M&B befindet.
Mit der Gründung von Merlicek & Grossebner haben sich die fünf Verantwortlichen auch vorgenommen, etwas anders zu agieren, als sie das bei großen Agenturen wie D,M&B, Heimat, Berlin oder DDB zuletzt gewohnt waren.
„Unsere Branche kann junge Talente nicht mehr anziehen, weil es kein Modell gibt, das junge Leute in die Werbung holt und ihnen gute Rahmenbedingungen liefert”, kritisiert Grossebner, der auf 16-Stunden-Tage bei „lausiger” Bezahlung verweist. „Wir wollen Dinge bewusst anders darstellen, und diese Freude an neuen Ideen bieten.” Dabei wolle man auch, losgelöst von den „oft starren Strukturen” großer Agenturen, agieren und eben der Kreativität ihren Freiraum bieten.
Kurz nach Bekanntwerden der Agenturgründung hätten sich bereits Dutzende Kreative per Initia-tivbewerbung gemeldet. Aktuell halte man bei rund 50 Bewerbungen von Menschen, die bei neuen Aufgaben mitmachen wollen.
„Wir haben alle untereinander das Gefühl, dass wir jeweils den anderen bereichern können und uns im Gegenzug auch selbst bereichern lassen wollen”, führt Gross-ebner weiter aus und verweist auf das breite Spektrum, das die Kreativen mit sich bringen. „Sei es Franz mit jahrzehntelanger Erfahrung in Markenführung beispielsweise für Darbo, oder Rosa für Ja! Natürlich, dazu eben die kreative und wirtschaftliche Expertise von Jani (Johannes Newrkla) und dann meine Erfahrungen aus Netzwerkagenturen mit Einblicken in internationale Kundenstrukturen”, so Grossebner.
Dieser breite Mix, eingangs angesprochen mit „junge Agentur mit so viel Erfahrung”, sei auch der Reiz: „Agenturen, die sich neu gründen, sind normalerweise so aufgestellt, dass sich gleichaltrige Menschen treffen, um etwas Neues zu wagen”, umreißt Newrkla. „Wir vereinen hier nun gleich drei Generationen mit geballter Erfahrung und jungem Spirit.”
Den Grundgedanken zu neuen Ansätzen beschreibt Merlicek folgend: „Ich habe mich schon immer darüber geärgert, dass unser Beruf so in Verruf geraten ist, nur weil die meiste Werbung selbst in Verruf geraten ist. Das zu verändern, war und ist unser Anspruch.”
„Irgendwann haben Werber damit begonnen, untertags ihre normale Routinearbeit zu tun und erst abends Gold-Ideen zu kreieren”, kritisiert Haider-Merlicek die Award-Sucht der Branche. „Jede Arbeit verdient die beste Idee, das wollen wir für unsere Kunden auch so halten. Wir sehen nämlich die Kür als Pflicht.”
Derzeit arbeitet das Fünfer-Gespann mit drei Beratern, einem Designer und einem Grafiker für etwa zehn Kunden. Großkunden von D,M&B, wo man immerhin mit dem eigenen Namen für Etats stand, habe man aber keine mitgenommen. „Es ist nicht unser Ziel, ‚alte' Kunden abzuwerben; vielmehr möchten wir neue gewinnen”, so Haider-Merlicek. „Wenngleich ich so einen großen Kaufmannsladen schon vermisse”, wie sie ihre Handelskunden nennt.
Wohin man sich künftig ent-wickelt? Natürlich wolle man auch für große Etats arbeiten, so die fünf Partner unisono, „aber kein Wachsen um jeden Preis – auch um kleine, flexible Strukturen aufrechterhalten zu können”, schließt Newrkla.

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