Allons, enfants de la Patrie …
PRIMENEWS 20.11.2015

Allons, enfants de la Patrie …

Der Ausbruch des sozialistischen Präsidenten der laizistischen Republik Frankreich in sakral-brachiale Kriegsrhetorik erschüttert.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider


PROPAGANDA. Frankreich übt sich in Kriegsrhetorik und militaristischer Bildsymbolik. Als Antwort auf einen Kontrahenten, der sich eine in religiöser Verbrämung perfekt maßgeschneiderte Markenidentität zugelegt hat – und seine Werbeclaims trommelt wie ein alter Hase der Markenartikelszene. Ein perfekter Konter: Hier die fahnenschwingenden Ritter des Halbmonds, dort der Präsident, der die Garde abschreitet … und dessen sozialistischer Premierminister, der die „heilige Union” als „in einem Krieg” unverzichtbar beschreibt – und damit Frankreich meint und nicht das vom IS ausgerufene ­„Kalifat”: „So widersteht ein großes Land, eine Demokratie mit unseren Werten dem Terrorismus, dieser Geist des Widerstands, diese Fähigkeit zur Einigkeit, diese heilige Union.”

„Zu den Waffen, Bürger, formt eure Truppen! (...) Unreines Blut tränke unsere Gräben!” – das wären zum Drüberstreuen ein paar Zeilen aus dem Refrain der Marseillaise, die zurzeit auch ein Comeback in die Populärmusik feiert. Aber wollen wir das? Darf man anmerken, dass diese Inszenierung vollkommen überzogen ist? Wer erinnert sich nicht an den unseligen George Bush sen. und seine „Achse-des-Bösen-Krieg-gegen-den-Terror”-Ansprachen inmitten einer scharfen wirtschaftlichen Rezession und der Post-Mauerfall-Sinnkrise, die uns erst eingebrockt haben, was heute ganz Europa ausbadet?
Staaten, die ohnehin auf morastigem Fundament stehen, noch zusätzlich zu destabilisieren, bringt schlicht gar nichts – außer einer noch zunehmenden Flüchtlingsflut, außer einem sich noch verstärkenden Hass auf den Westen. So langweilig das klingen mag: Der Versuch einer Eindämmung des IS – eventuell auch, indem man eine Art Handelsembargo für die eifrig im- und exportierenden Islamo-Faschisten durchsetzt – wird mit einem geduldigen Trommeln der Werte einer offenen Gesellschaft verbunden sein müssen. Mit einer noch viel lauteren Betonung der liberalen und humanistischen Grundwerte der Großen Nation, mit einer souveränen Weiterverfolgung des laizistischen Kurses, der die vielgeschmähten „Werte” ohne die Verknüpfung mit Religion darstellen kann. Dazu gehören auch verstärkte Bemühungen zur Integration jener, die frustriert und an den Rand gedrängt werden und so leicht als Kanonenfutter missbraucht werden können. Auch mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 hatte eine Flut an kriegstreiberischer Propaganda eingesetzt, militaristische Bücher gingen wie die warmen Semmeln … Das alles tut kein gut.

Rechts überholt

Was uns jedoch durch den Schwenk Hollandes zum strammen Hardliner erspart bleiben könnte, ist das europaweite Erstarken der Rechtsaußen-Parteien. Mit Maßnahmen wie dem verhängten Ausnahmezustand, Hausarrest für Syrienrückkehrer, Entzug der Staatsbürgerschaft für wegen Terrorvergehen verurteilte Franzosen mit doppelter Nationalität und entsprechenden Verfassungsänderungen nimmt er nicht nur den Konservativen den Wind aus den Segeln, sondern auch der Front National, die außer einem Aufruf zur Formierung eines Lynchmobs auf diesen Maßnahmenkatalog kaum mehr etwas draufsetzen kann. Nochmals die Frage: Wollen wir das?

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