Der Feind aus dem Netz
© EPA/Jakub Kaczmarczyk
Statistisch ist die Angst vor den „Internetriesen” unbegründet, weil etwa in Deutschlands Handel aktuell nur zehn Prozent online umgesetzt werden (Bild: Amazon-Lager).
PRIMENEWS 19.05.2015

Der Feind aus dem Netz

Amazon, Zalando und Co. sind die, die für das Elend vieler Einzelhandelsgeschäfte verantwortlich gemacht werden. Zunehmend wird darüber geklagt, dass Kunden sich offline beraten lassen und online kaufen. Showrooming nennt man das auch. Dank der Smartphones und spezieller Apps kann man heute direkt im Laden die Preise vergleichen. Laut aktuellen Umfragen haben das nur ein Drittel der Kunden bisher noch nicht genutzt. Ausnahmen sind hier Produkte, die als Massenware für Onlinehändler nicht geeignet sind. Es gibt allerdings auch den umgekehrten Weg. Kunden informieren sich im Internet und kaufen dann im Laden. Statistisch ist die Angst vor den „Internetriesen” unbegründet, weil z.B. in Deutschland aktuell nur 10% online umgesetzt werden. Davon macht Amazon Deutschland wiederum circa 20% aus. Sicher trifft es die eine Branche mehr als die andere. Und Klappern gehört zum Handwerk. Aber dennoch jammern die Unternehmer meines Erachtens auf hohem Niveau. Denn die Möglichkeiten sind heute größer denn je. Es ist nicht schlechter, nur anders geworden. Wenn die Zeiten sich ändern (was sie übrigens immer machen), dann ist es an der Zeit, etwas zu ändern.

Einstellungssache

Früher war es insoweit anders, dass Unternehmer in einem Beschaffungsmarkt groß geworden sind. Also diejenigen, die überhaupt ein Produkt oder eine Idee liefern konnten, wurden erfolgreich. Heute verkaufen wir an gesättigte Verbraucher. Aber diese lieben es nach wie vor, zu kaufen. Auch Geld ist genug vorhanden. Doch geben sich die Unternehmer oft einfallslos.
Viele denken nur innerhalb ihrer gewohnten Denkmuster. Sie probieren Dinge, die andere schon (teilweise erfolglos) angewendet haben. Sie nutzen Ideen, die weder neu oder wenigstens neu aufgemacht sind und demnach vom Verbraucher nicht als anders wahrgenommen werden. Damit ein Kunde uns aber wahrnimmt, gilt nun mal „angenehm anders als alle anderen auffallen”. Was wäre Karl Lagerfeld ohne seine Brille oder seinen Fächer? Wirkliche Innovation kommt aber nur durch einen Paradigmenwechsel. Und erfahrungsgemäß nicht im gewohnten Umfeld, also in unserer Komfortzone.

Bewährte Fehler

Wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann bilde ich einen Arbeitskreis – man trifft sich mit anderen Unternehmern, die dasselbe Problem haben, es aber selbst nicht besser wissen. Was soll da rauskommen? Oft leider nur eine Selbsthilfegruppe aus Schwarzsehern. Suchen Sie sich stattdessen ein optimistisches, ja enthusiastisches Umfeld – auch aus branchenfremden Unternehmen – und erarbeiten Sie Symbiosen und Co-Branding. Suchen Sie den Kontakt zu jungen Unternehmern. Denn alte Hasen sagen Ihnen oft nur, wie es nicht geht. Lassen Sie es gedanklich zu, dass Ihnen jeder weiter- helfen kann und es unzählige Ideen gibt.

Wie das Kaninchen vorm Bau

Man erstarrt wie das Kaninchen vorm Bau und schreit kurzerhand nach Verbänden und der Politik, damit diese es doch bitte lösen sollen. Hallo, wer ist denn hier der Unternehmer? Unternehmer unterscheidet ja, dass sie gegenüber Arbeitern die richtigen Dinge unternehmen.
Sie müssen erkennen, dass Sie selbst verantwortlich für Ihren Erfolg sind, nicht der Markt oder irgendetwas anderes. Als in der Weltwirtschaftskrise ab 1928 viele Kunden die Läden mieden, hat man sich überlegt, wie man wieder an die Käufer herankommt. So wurde der Versandhandel über Kataloge geboren.
Es gibt also immer auch eine Chance. Auf 100 Besserwisser kommt gottlob ein Bessermacher. Dazu ein wunderschönes Beispiel. In Zeiten, wo viele Läden jammern und leiden, gibt es einen Supermarkt im schwedischen Ullared, bei dem Kunden in 4er-Reihen rund einen Kilometer anstehen müssen; die Leute machen hier sogar nur wegen des Einkaufens Urlaub.

Teure Unternehmensberater

Man schmeißt mit dem Schinken nach der Wurst und holt sich teure Unternehmensberater. Wieso? Keiner kennt doch den Markt und das Unternehmen besser als Sie selbst. Klar, es ist schwierig, sich selber zu coachen. Und viele gute Vorsätze sind weg, weil es Menschen allein versuchen. Es ist deshalb deutlich einfacher, wenn man zu zweit ist, also einen Sparrings­partner hat.
Hilfreich wäre hier eher ein Moderator, der es versteht, die richtigen Fragen zu stellen und sie mit Ihnen zu Ende spinnt. Das kann sehr gut auch ein Marktfremder sein, weil der nicht eingefahren ist. Denn manche Inhaber sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Oft hilft hier einfach die gesunde Naivität eines Fremden. Sie könnten sich zum Beispiel folgende Fragen stellen: „Was würde man anders machen, wenn man heute die Firma komplett neu gründen würde?” „Was würde ein Investor ändern, wenn er Ihre Firma in fünf Jahren für den doppelten Wert verkaufen wollte?” „Was muss verändert (anders) werden, damit es besser wird?” Schreiben Sie dann hinter die einzelnen Punkte, was kann, sollte oder muss verändert werden, und fangen Sie mit dem „Muss” an.

Schmecken muss es dem Gast

Es muss nicht dem Koch schmecken, sondern dem Gast. Leider betrachten Unternehmer das Problem durch ihre Brille und setzen sich nicht wirklich auf den Stuhl des Kunden. Man erkennt es auch an den Ausreden und Schuldzuweisungen. Bringt man eine Frage oder Anregung, kommt oft ein genervtes Aber – in der Art wie „bei uns ist das ganz anders”. Das ist nicht lösungsorientiert und es zeigt nur, dass man konstruktive Gedankengänge gleich im Keim erstickt. Ein Unternehmen wird aber bestimmt durch seine Innovation. Nur wo ist bei den meisten die Innovation? Es muss übrigens keine Neuerfindung sein. Entscheidend ist nur die Wahrnehmung durch Ihre Zielgruppe. Sie können auch Bestehendes veredeln. Ich frage sehr gern Verkäufer „Was zeichnet Sie aus? Warum sollte ich gerade bei Ihnen kaufen?” Was dann kommt, ist meist heiße Luft, bestehend aus Phrasen und Superlativen. Aber selten kommt ein klarer Nutzen für mich. Ich kaufe doch nicht bei Ihnen, weil Sie eine so tolle Firma sind. Ich kaufe nur, wenn ich einen konkreten Nutzen für mich sehe.
Gibt es den nicht, sind Sie in der Vergleichsfalle, und dann entscheiden Faktoren wie der Preis oder die Bequemlichkeit. Man kauft dann zum Beispiel von zu Hause aus über das Internet. Wenn Sie jedoch den Nerv treffen, dann fällt Ihnen der Verkauf auch leicht. Hinterfragen Sie dazu unbedingt die emotionalen Bedürfnisse Ihrer Zielgruppe. Schauen Sie sich Ihre Prospekte oder Homepage an. Steht Ihre Firma im Vordergrund oder der konkrete Nutzen für den Kunden? Ein Bedürfnis, was Sie am besten lösen können? Erarbeiten Sie sich auch ein einfaches System und eine funktionierende Wiedervorlage, damit Sie die Kundenbedürfnisse professionell verarbeiten können.
Viele Unternehmer vergessen schlicht und ergreifend die Kundenanfragen. Machen Sie Ihre Erfolge nachvollziehbar. Sie müssen wissen, was Ihren Erfolg ausmachte und was nicht. Vor dem Marketing kommen also die Posi-tionierung, die Wahrnehmung durch die Zielgruppe und deren Hemmschwellen. Und natürlich Ihre eigenen Ziele und Werte. Machen Sie nicht den Fehler, sich nur auf eine Marketingidee zu stürzen, um sich dann zu wundern, wenn das Projekt scheitert. Acht von zehn Marketingideen gehen meist in die Hose. Und strengen Sie bitte Ihren Geist an, nicht Ihre Geldbörse. Achten Sie unbedingt in Ihrer Kommunikation darauf, dass alles für den Zielkunden verständlich ist. Hinterlassen Sie bei Ihren Kunden offene Fragen, so ist dies ein Kaufverhinderungsgrund. Denn wir kaufen nur, wenn es für uns rund ist.

Im Hamsterrad

Ein Hamsterrad sieht von innen aus wie eine Karriereleiter. Die Inhaber sind zu viel im Unternehmen eingebunden und geben dadurch vor, keine Zeit zu haben. Ich muss als Unternehmer aber am Unternehmen arbeiten und nicht nur im Unternehmen. Wie soll ich sonst aus dem Teufelskreis entkommen? Wie formulierte es Albert Einstein: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.” Fällen Sie eine Ent-Scheidung.
Das heißt, dass Sie sich von gewissen Gewohnheiten und Denkweisen trennen müssen. Sie sollten mindestens eine Stunde täglich frei bekommen, um in dieser Zeit Ideen zu entwickeln. J.D.Rockefeller sagte: „Wer den ganzen Tag arbeitet, hat keine Zeit, Geld zu verdienen.” Durchdenken Sie dazu alle Ihre Arbeitsprozesse nach dem Pareto-Prinzip, damit Sie Ressourcen freibekommen. Und lernen Sie, zu delegieren. Setzen Sie sich ein zeitliches Limit und fangen Sie gleich an. Es wird nicht von allein besser. Die meisten schieben auf und sagen sich, dass sie es irgendwann machen. Doch irgendwann ist nie.Erfolg ist kein Zufall. Haben Sie Erfolg, so hat das einen Grund. Haben Sie keinen Erfolg, so hat das auch einen Grund. Interessanterweise sagen erfolgreiche Menschen, dass sie selbst für den Erfolg zuständig waren. Bei Misserfolg jedoch schieben wir die Verantwortung ab. Fragt man erfolglose Menschen, sagen diese, dass die Umstände dafür verantwortlich sind. Die aufgeführten Punkte sollen Ihnen zeigen, dass es an Ihnen liegt und Sie weder ohnmächtig noch Opfer sind. Verachten Sie keine Mitbewerber, sondern lernen Sie von deren Erfolg. Hinterfragen Sie die Beweggründe, warum Ihre Kunden dorthin wechselten. Wenn Sie die Verantwortung für Ihr Tun übernehmen, entfallen alle Ausreden.


Michael Serve ist Unternehmensberater und bietet Liquiditätsmanagement für den Mittelstand.
www.businesvillage.de

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL