Die geteilte Alpenrepublik
© APA/Robert Jäger
Opposition Auch in Österreich wird immer wieder die Sorge über eine starke politische Kluft in der Bevölkerung geäußert. Ist Österreich ein „geteiltes Land”?
PRIMENEWS Paul Eiselsberg 04.11.2016

Die geteilte Alpenrepublik

Nicht nur in den USA ist die Wählerschaft polarisiert – auch in Österreich ist eine klare Trennlinie erkennbar.

Gastkommentar ••• Von Paul Eiselsberg

WIEN. Die US-amerikanische Präsidentenwahl wird am kommenden Dienstag, den 8. November 2016, entschieden werden und hinterlässt – wie amerikanische Kommentatoren aufzeigen – ein stark polarisiertes Land mit hohem gesellschaftlichem Zündstoff. Die hart und sehr direkt geführte Auseinandersetzung heizte die politische Stimmung der Anhängerschaften deutlich an und offenbart nun mehr ­Fragezeichen als Antworten.

Auch in Österreich wurde im Vorfeld der Bundespräsidenten-Stichwahl am 4. Dezember immer wieder die Sorge über eine starke politische Kluft in der Bevölkerung geäußert – und somit galt es, in der Alpenrepublik der Frage nach dem „geteilten Land” demoskopisch auf den Grund zu gehen.  Der empirische Befund dazu ist nicht ganz eindeutig, lässt aber doch den Eindruck einer gespaltenen Nation zu: Knapp zwei Fünftel der Bevölkerung stimmen der Aussage, dass ­Österreich in politischer Hinsicht ein gespaltenes Land sei und sich deutliche Gegensätze in der Bevölkerung auftun, zumindest einigermaßen zu. Genau genommen sind es 37%, die diese Auffassung vertreten. Rund acht Prozent äußern die völlig gegenteilige Meinung und sehen überhaupt keine Spaltung, weitere 32% sehen diese Kluft eher nicht.

Zwei „Blöcke”

Im direkten Verhältnis stehen einander somit zwei ident große Gruppen in dieser Fragestellung gegenüber. Menschen mit höherer Bildung, FPÖ- und Grüne-Sympathisanten sind sich überdurchschnittlich einig in ihrem Eindruck einer politisch gespaltenen Alpenrepublik. Der Rest – rund ein Viertel der Bevölkerung – kann sich nach eigenen Angaben dazu nicht äußern.

Bruchlinie Flüchtlingsthema

Als stärkste Bruchlinie gilt die Zuwanderungsthematik inklusive Integration und Flüchtlingskrise; rund zwei von drei Österreichern nennen dieses Thema spontan. Dieser Befund erstreckt sich über alle soziodemografischen Gruppen und ist eindeutig als stärkste Spannungslinie zu erkennen. Betrachtet man die weiteren Bruchlinien, zeigt sich, dass sich erst auf deutlich späteren Bewusstseinsebenen die politische Gesinnung (12%), die EU (10%), die Budgetpolitik (10%) oder auch das Sozialsystem (9%) als Spaltpilze der Republik finden. Da sich die Flüchtlingssituation in den letzten 12 bis 14 Monaten deutlich verschärft bzw. sich als Thema eigentlich ganz neu für die Bevölkerung gestellt hat, ist davon auszugehen, dass die Flüchtlingswelle diese gefühlte Spaltung der Gesellschaft maßgeblich verstärkt hat. Vice versa könnte man sogar meinen, dass ein Umfrageergebnis vor dem Auftreten dieses Problems auch keine größeren Spaltungseindrücke der Bevölkerung geliefert hätte.

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