„Die negative Stimmung ist Gift für Investitionstätigkeiten”
PRIMENEWS sabine bretschneider 27.01.2015

„Die negative Stimmung ist Gift für Investitionstätigkeiten”

Nachgefragt Mit einer Geldflut von mehr als einer Billion Euro will die EZB die Konjunktur im Euroraum anschieben. Wie sinnhaft ist diese Maßnahme?

Markus Marterbauer, AK Wien, pocht auf „Ausweitung der öffentlichen Investitionen und Beschäftigungsprogramme”.

Wien. „Früher oder später kehrt Papiergeld zu seinem inneren Wert zurück – null”, das Zitat stammt aus dem 18. Jahrhundert – und doch klingt Voltaire im Kontext der eben ausgelösten Geldschwemme der Europäischen Zentralbank durchaus spannend. Die Ängste etwa der Deutschen vor Geldentwertungen sind groß, und auch eine gewisse moralische Entrüstung über das aktuelle EZB-Programm ist spürbar, werden doch im Rahmen des EU-Verbunds Schuldenmacher belohnt und Sparer bestraft. Ein Rückblick: Die EZB hatte am vergangenen Donnerstag beschlossen, mehr als eine Billion Euro in die Wirtschaft pumpen. Dazu sollen monatlich Anleihen von Staaten und Unternehmen um 60 Mrd. € erworben werden – im Zeitraum März 2015 bis September 2016, wie Notenbank-Präsident Mario Draghi präzisierte. Das frische Geld soll, so der Plan, Konsum und Investitionen anschieben und die maue europäische Konjunktur wieder in Schwung bringen.

Wir haben uns hierzulande umgehört, wie Ökonomen und Konjunkturexperten die EZB-Ini-tiative einschätzen – auch in ihren direkten Auswirkungen auf Österreich: „Ich bin sehr skeptisch und befürchte, dass diese Geldflut ihre gewünschte Wirkung verfehlen wird”, sagt Helmut Maukner, Country Managing Partner von EY Österreich: „Alle unsere Umfragen und Analysen der letzten Zeit zeigen eindeutig, dass die Unternehmen in ganz Europa momentan bei Investitionen sehr zurückhaltend sind.” Das liege vor allem an den schwierigen Rahmenbedingungen und mangelndem Vertrauen, dass es mit der Konjunktur wieder bergauf geht. Maukner: „Das Problem ist also nicht, dass es an Geld oder günstigen Krediten fehlt, sondern dass die negative Grundstimmung Gift für Investitionstätigkeiten ist. Solange das Vertrauen fehlt, werden auch die weitreichendsten geldpoli-tischen Maßnahmen verpuffen.”

Bietet „negative Anreize”

„Das Programm der europäischen Zentralbank zum Ankauf von Staatsanleihen folgt mit einer Verspätung von mehreren Jahren ähnlichen Programmen in den USA und Großbritannien, deren Wirtschaft besser durch die Krise gekommen ist als jene des Euroraums”, erklärt Markus Marterbauer, Chefökonom der Arbeiterkammer Wien. Das Programm werde allerdings ohne eine Kombination mit einer massiven Ausweitung der öffentlichen Investitionen und umfangreichen Beschäftigungsprogrammen „nicht in der Lage sein, die schwere Wirtschaftskrise in Europa zu bewältigen, Deflation zu vermeiden und die gefährliche Massenarbeits-losigkeit zu bewältigen”, schlägt er in die selbe Kerbe wie viele seiner Kollegen.Auch Klaus Weyerstraß, Ökonom und Konjunkturexperte am Institut für Höhere Studien (IHS), betrachtet die EZB-Geldschwemme im Gespräch mit medianet „eher kritisch”: Die EZB kaufe damit Zeit, die die Staaten für Strukturreformen nutzen sollten. Allerdings, meint Weyerstraß, „könnte es ganz im Gegenteil dazu kommen, dass damit negative Anreize geboten werden – und eben keine Reformen durchgeführt, sondern wieder vermehrt Geld geborgt wird, eben weil die Zinsen auf Staatsanleihen künstlich niedrig gehalten werden.” In den direkten Auswirkungen auf Österreich bestehe die Gefahr „durch Fundamentalfaktoren nicht gerechtfertigt steigender Immobilien- und Aktienpreise, weil zu viel Liquidität vorhanden ist”. Das EZB-Programm könnte die Exporte ankurbeln, gesteht er den Plänen der Zentralbanker zu, „auch weil der Euro weiter geschwächt wird”. Damit würde auch die Konjunktur angekurbelt werden, „wobei man anmerken muss, dass Österreichs Exporte ohnehin weniger preis-sensibel sind”. Insgesamt berge der EZB-Beschluss für Österreich also „mehr Risiken als Chancen”.Nach dem Wahlsieg des Linksbündnisses Syriza in Griechenland tut sich für die EZB jetzt allerdings ohnehin eine ganz neue Front auf (siehe Berichte li. und re.). Fortsetzung folgt also mit Sicherheit …

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