Die Printkrise ist ein Missverständnis
PRIMENEWS sabine bretschneider 10.07.2015

Die Printkrise ist ein Missverständnis

Ein Blick zurück – und einer nach vorn: Über den Tag, als alles begann – und über das Datum, an dem alles zu Ende sein hätte sollen …

Lang ist’s her Eine kleine Rückschau an diesem Platz muss sein, aber ich verspreche, mich kurz zu halten: Die erste Ausgabe von medianet erschien – das werden Sie in dieser Sondernummer an mindestens einer Stelle lesen – am 18. September 2001, eine Woche, nachdem … Sie wissen schon. Waren wir also an diesem denkwürdigen Datum so eben noch vorbeigeschrammt, ging in Übersee aber auch der 9/18 in die Annalen des Schreckens ein: An jenem Tag setzte in den Vereinigten Staaten mit dem Versand der ersten Briefe mit Milzbranderregern nämlich die Serie der Anthrax-Anschläge ein. Aber egal, medianet war ohnehin nicht für den transatlantischen Export gedacht und auf dem rot-weiß-roten Markt hat medianet sich durchgesetzt, gut geschlagen – und inzwischen als unverzichtbares Wirtschaftsmedium etabliert. Trotz Finanzkrise, trotz Wirtschaftskrise, trotz Printkrise. Ja, und Griechenland hat bis dato auch nicht geschadet.

Ein Schwenk: 2043 wird die letzte Zeitung erscheinen – mit dieser recht prägnanten Aussage wurde Philip Meyer, Doyen der US-Journalismusforschung, seit Erscheinen seines Buchs „The Vanishing Newspaper” im Jahr 2004 bis heute tausendfach zitiert. Wiewohl Meyer seine Aussage in Folge immer wieder revidierte. Schuld sei Rupert Murdoch, erzählte Meyer bei einer Wiener Konferenz im Jahr 2010 („Journalism 2020”). Der Medienmogul habe ihn missverständlich zitiert. Tatsächlich findet sich das Datum 2043 gar nicht in Meyers Buch, vielmehr bezieht er sich darin auf eine Grafik, die den Rückgang der Zeitungsleser darstellte – und bei entsprechend verlängerter Abwärtskurve unter gleichbleibenden Rahmenbedingungen im Jahr 2043 den Nullpunkt erreicht hätte. Im gleichen Jahr, als The Vanishing Newspaper Murdochs Interesse weckte, 2004, wurde übrigens Facebook gegründet. 2006 startete Google News, kurz darauf Twitter. So viel zu „gleichbleibenden Rahmenbedingungen”. Fazit: Gefährdet ist nicht die Zeitung, gefährdet ist die Zeitung in Form eines trägen Massenmediums. „Journalismus im Internet ist eine Dauerkonversation aller Beteiligten untereinander; das gedruckte Medium offeriert Geschichten, die aus einem vielschichtigen Diskurs- und Produktionsprozess hervorgehen”, zitierte die FAZ vor ein paar Jahren ­Miriam Meckel, Professorin für Kommunikationsmanagement an der Uni St. Gallen. Das ist zumindest der Versuch einer klugen Definition.

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