Drexel: „Darauf sind wir auch ein bisschen stolz”
PRIMENEWS christian novacek 20.02.2015

Drexel: „Darauf sind wir auch ein bisschen stolz”

Bilanz Spar-Präsident Gerhard Drexel freut sich über die fünfmalige, ununterbrochene Wachstumsführerschaft

Zwei Prozent packt die Spar in Österreich im Umsatz drauf – die Branche legt nur um 0,3 Prozent zu.

Salzburg. Spar-Präsident Gerhard Drexel im medianet-Interview über Konsumhemmnisse, die Verantwortung des Lebensmittelhändlers und Spar im Ausland.medianet: Wie zufrieden sind Sie mit dem Spar-Umsatzwachstum 2014?Gerhard Drexel: Spar hat in Österreich im Umsatz zwei Prozent zugelegt. Von diesem Wachstum entfällt eine Hälfte auf das Wachstum auf der bestehenden Fläche, die zweite schreibt sich der Expansion zu.

Somit konnten wir an Marktanteil gewinnen und wir sind zum fünften Mal in ununterbrochener Folge Wachstumsführer geworden – worauf wir auch ein bisschen stolz sind.

medianet: Der Branche an sich ging es vergleichsweise nicht so gut ...Drexel: Laut Nielsen verzeichnet die Branche ein Wachstum von lediglich 0,3 Prozent. Ein so geringes Branchenwachstum gab es zuletzt 1995/96 – damals war das der ‚Konsum'-Pleite geschuldet. Sogar während der globalen Wirtschaftskrise ab 2008 bis 2013 gab es im Durchschnitt 2,7% Branchenwachstum pro Jahr.medianet: Steht somit das Jahr 2014 für eine dramatische Entwicklung? Gab es eine drastische Veränderung im Konsumverhalten?Drexel: Ich glaube, dass dieses geringe Branchenwachstum konjunktur- und fiskalpolitische Gründe hat. Die gesamte EU kommt seit 2008 nicht mehr richtig vom Fleck. Wir werden rechts von den Ost-asiaten überholt und links von den Amerikanern. In Österreich orte ich überdies einen hausgemachten Grund für das fehlende Wachstum und der liegt in der Belastung der privaten Haushalte – einer im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wesentlich höheren Steuerbelastung.medianet: Gibt Ihnen eine bevorstehende Steuerreform Zuversicht in Richtung Aufschwung?Drexel: Ich glaube, dass es in der Regierung einen Konsens zur steuerlichen Entlastung gibt. Und ich hoffe, dass keine neuen Steuern hinzuerfunden werden. Ein erhöhter Mehrwertsteuersatz hätte katastrophale Folgen. Grundsätzlich bin ich aber zuversichtlich, dass es zur Entlastung kommen wird. medianet: Eine tiefer greifende Konsumkrise schließen Sie somit aus?Drexel: Aus meiner Sicht gibt es keine Konsumkrise, es fehlt schlichtweg die Kaufkraft. Die Trends sind unverändert, wir sehen das beispielsweise in der sehr positiven Entwicklung bei Spar Premium oder Spar Veggie – beides keine Billig-Handelsmarken, sie wuchsen 2014 um 17 bzw. 14 Prozent. Ich meine sogar, dass sich die Konsumententrends und -bedürfnisse auf eine höhere Ebene verlagern, also stärker in den Premium-, Bio- und Convenience-Bereich.medianet: Wie stehen Sie in dem Kontext zur Gatekeeperfunktion des Handels – wie beurteilen Sie das Thema Lebensmittelsicherheit bei Industrie- und Handels-marken?Drexel: Prinzipiell ist zwischen den Marken des Handels und denen der Industrie zu unterscheiden. Bei den Spar-Marken übernehmen wir mit Freude die volle Verantwortung – schon deshalb, weil wir dort unsere Werte ausleben können. Bei den Markenartikeln nehmen wir unsere Gatekeeperfunktion ernst und listen nicht alle Produkte in unser Sortiment ein – speziell solche nicht, die unseren Prinzipien und Wertvorstellungen von Qualität, Gentech-Freiheit und Nachhaltigkeit widersprechen.medianet: Mitunter spießt sich die Wertvorstellung mit wirtschaftlicher Realität – etwa bei Fisch oder Hühnerfleisch.Drexel: Spar hat mit Abstand das nachhaltigste Fischsortiment im österreichischen Handel, zu 95 Prozent ist es nachhaltig. Beim Geflügel ist die Situation komplex: Österreich hat vom Gesetz her nach der Schweiz die strengsten Hühnerhaltungsbedingungen und somit ein sehr hohes Qualitätsniveau. Das Problem: Zu hohe Standards in der Inlandserzeugung begünstigen paradoxerweise den Import von billigerer Auslands-ware. So kann die Schweiz nur mehr zehn Prozent ihres Bedarfs aus Inlandserzeugung decken.medianet: Blicken wir von der Schweiz nach Italien; dort scheint das Spar-Konzept ja bestens zu funktionieren.Drexel: Wir haben ein hervorragendes Management in Italien, das seit Jahren konstant arbeitet. In dem von uns bearbeiteten Gebiet – dem Nordosten – sind wir mit einem Marktanteil von 15 Prozent Marktführer. In Italien ist der LEH immer noch atomistisch strukturiert. Jedenfalls können wir in Italien von einer Position der Stärke sprechen, aus der heraus wir organisch expandieren – nämlich jetzt neu in die Emilia Romagna mit der Hauptstadt Bologna.medianet: Würden Sie Spar Österreich heute als international ausgerichtetes Handelsunternehmen begreifen wollen?Drexel: Wir entwickeln uns eindeutig hin zum mitteleuropäischen Handelskonzern. Das war auch immer unsere Vision, seit Beginn der 90er. 1990 erzielten wir 100 Prozent unseres Umsatzes in Österreich, heute machen wir bereits 43 Prozent unseres LEH-Umsatzes im Ausland. Unser Wachstum 2014 in den vier Nachbarländern ist mit 3,2 Prozent in lokalen Währungen gerechnet sehr stark.medianet: Wie geht es im schwierigen ungarischen Markt?Drexel: Dort sind wir leider mit zwei krass EU-rechtswidrigen Gesetzen konfrontiert: Das eine ist die Lebensmittelkontrollgebühr, die von bisher 0,1% des Umsatzes per Gesetz auf bis zu 6% des Umsatzes erhöht wurde. Dieses Gesetz wurde so konfiguriert, dass die rechtswidrige Erhöhung nur ausländische Unternehmen trifft. Damit wird es beinahe unmöglich, Gewinne zu erwirtschaften. Gleichzeitig wurde ein zweites Gesetz erlassen mit einer Gewinnverpflichtung für Unternehmen mit mehr als 150 Mio. € Jahresumsatz. Erwirtschaftet man zwei Jahre hintereinander keinen Gewinn, wird das Unternehmen zwangsliquidiert, das wäre also bereits in 2017 möglich. Ein unfassbarer Schlag gegen alle Prinzipien eines Rechtsstaats!medianet: Wie begegnet man derart kruden Gesetzen strategisch?Drexel: Wir haben die Investitionen in Ungarn, die ursprünglich ambitioniert waren, zurückgenommen. Wir hoffen, dass die EU hier helfen kann – gegebenenfalls mit Sanktionen.

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