Gerstenmayers Zutaten für das Standort-Rezept
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PRIMENEWS reinhard krémer 25.06.2015

Gerstenmayers Zutaten für das Standort-Rezept

Interview Der AT&S-Chef fordert „ein klares Bekenntnis zum Wirtschafts- und Industriestandort Österreich”

Bitte warten Andreas Gerstenmayer ist Vorstandsvorsitzender von Europas größtem Leiterplattenhersteller AT&S mit Sitz in Leoben – und ein scharfer ­Kritiker der heimischen Wirtschaftspolitik. Die Rahmenbedingungen für heimische ­Unternehmen, sagt er, seien – Steuerreform hin oder her – nicht die besten.

Leoben. Andreas Gerstenmayer ist seit 1. Februar 2010 Vorstandsvorsitzender von Europas größtem Leiterplattenhersteller AT&S mit Sitz in Leoben. Ende Mai hatte er eine Roadshow für das Unternehmen beendet.

Zuletzt konnte der scharfe Kritiker der heimischen Wirtschaftspolitik eine erstklassige Bilanz mit Zuwächsen quer durch die Bank vorzeigen. Die Rahmenbedingungen für heimische Unternehmen seien auch nach der Steuerreform nicht die besten, moniert der AT&S-CEO.


medianet: Mit Ihrer Roadshow mit Stationen in Frankfurt, London, Paris, Zürich, New York, San Francisco und so weiter holen Sie sich wahrscheinlich die diamantene Meilenkarte, denn sie führte Sie um den ganzen Globus. Was bringt das Ihnen und dem Unternehmen eigentlich? Wen versuchen Sie damit anzusprechen? Und hatten Sie damit bereits Erfolg?
Andreas Gerstenmayer: Was es uns bringt? Natürlich, bestehende Investoren in ihrer Entscheidung für AT&S zu bestätigen, neue Investoren – vor allem techaffine Investoren – anzusprechen. Das persönliche Gespräch ist durch nichts zu ersetzen. Wir entwickeln und betreuen laufend unsere Investorenbasis – die Roadshows sind ein wichtiger Teil davon.

medianet:
Sie haben die österreichische Wirtschaftspolitik bereits mehrfach heftig kritisiert. Wenn Sie einen Flaschengeist fänden – was würden Sie sich von der Politik als Unternehmer wünschen?
Gerstenmayer: Ganz einfach: Ein klares Bekenntnis zum Wirtschafts- und Industriestandort Österreich und zwar in Taten und nicht nur in Lippenbekenntnissen.

medianet:
Aber wie könnte man das in die Praxis umsetzen? Haben Sie dazu ein ‚Kochrezept'?
Gerstenmayer: Ja, und dazu benötigen wir folgende Zutaten:
•?eine konsistente ­Standortstrategie mit definierten Kompetenzfeldern,
•?langfristig wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen – Senkung der Lohnnebenkosten, echte Reformen, die vor allem die Ausgabenseite adressieren, keine weiteren finanziellen Belastungen der Unternehmen,
•?eine Verschlankung und Effizienzsteigerung der Verwaltungs­strukturen,
•?eine Neugestaltung der Arbeitszeitgesetze
•?und Investitionen in die Zukunft – Wissenschaft und Forschung stärken.

medianet:
Und wenn nix passiert?
Gerstenmayer: All das ist die Voraussetzung, dass Österreich wieder international wettbewerbsfähig und nicht zum Disney-Park für asiatische Besucher wird.

medianet: Sie haben ja angekündigt, wesentliche Investitionen nicht mehr im Inland zu tätigen. Ist der AT&S-Standort Österreich eigentlich gesichert?
Gerstenmayer: Solange es Kunden und Anwendungsbereiche gibt, die wir mit diesen Lohnkosten beliefern können: Ja!
medianet: AT&S hat eben eine Bilderbuch-Bilanz präsentiert, um die Sie sicher einige der ‚Großen' beneiden werden. Was ist denn Ihr nächstes Ziel?
Gerstenmayer: Unsere große Investition in Chongqing (­China, Anm.) reibungslos auf Schiene bringen. Gleichzeitig unser Kerngeschäft weiter so erfolgreich mit einer höchst motivierten Mannschaft am Laufen halten.

medianet:
In China beginnt langsam der Wirtschaftsmotor zu stottern. Ist der Abschwung in China gefährlich für AT&S?
Gerstenmayer: Viel wichtiger ist es, dass die globale Nachfrage in unseren Kundenindustrien kontinuierlich weiter wächst: Smartphones, Tablets, Notebooks, Automotive, Industrieanwendungen sowie Medizintechnik-Anwendungen.

Relevant ist für uns eher, dass die Bindung des Renminbi an den US-Dollar stabil bleibt.


medianet:
In Österreich dominieren die ‚Kleinen'. Welche Rolle spielen KMU für Ihr Unternehmen? Sind sie Zulieferer? Oder auch Abnehmer? Welche Bedeutung haben sie denn eigentlich für Ihr Unternehmen?
Gerstenmayer: Wir haben eine breite Zulieferbasis mit vielen KMU auch aus Österreich und Deutschland. Aber für uns ist die Qualität, der Preis und die langfristige Partnerschaft wichtiger als die bloße Tatsache, ob sie jetzt KMU sind oder nicht.

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