„Liquidität muss auch bei den Firmen ankommen”
PRIMENEWS sabine bretschneider 28.01.2015

„Liquidität muss auch bei den Firmen ankommen”

Junge Wirtschaft WKO-Chef Christoph Leitl betont die stabile Lage bei Neugründungen – trotz Finanzierungssorgen

Zu den aktuellen Gründerzahlen, den Forderungen der Jungen Wirtschaft – und dem Basel III-Korsett.

Wien. „Was nutzt es, wenn die EZB ‚flutet', die Banken wegen der Basel III-Kriterien die Kredite aber nicht weitergeben?”, sagt am Dienstag Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl bei einem Pressegespräch mit dem Bundesvorsitzenden der Jungen Wirtschaft, Herbert Rohrmair-Lewis. Thema ist die Präsentation der aktuellen Gründerzahlen. „Jede Form von Liquidität ist hilfreich”, kommentiert Leitl die Frage nach den konjunkturellen Auswirkungen des umstrittenen EZB-Anleihenkaufprogramms. Wichtig aber sei, „dass die zusätzliche Liquidität tatsächlich in Form von Krediten bei den Unternehmen ankommt”. Es brauche Zusatzprogramme – und bankenseitig weniger Fokussierung auf das Eigenkapital. Leitl schlägt eine „Verschnaufpause für die Banken” vor, eventuell eine Verlängerung der Basel III-Frist... Ein Schluss, der sich daraus ergibt: „Wir brauchen Privatkapital für die Unternehmensfinanzierung.” Dem schließt sich Rohrmair-Lewis an: Die Forderung einer Finanzierungserleichterung durch Crowdfunding steht ganz oben auf der Agenda der Jungen Wirtschaft. Auch die Umsetzung des Business Angels-Freibetrags zur Eigenkapitalstärkung sei erforderlich.

Viele neue Werber

Auf Platz eins der kontinuierlich getrommelten JW-Forderungen steht weiterhin „weniger Bürokratie”; wichtig sei für Gründer auch die Abschaffung der Lohnneben-kosten für den ersten Mitarbeiten im ersten Jahr und, ergänzt Rohrmair, eine Kürzung der Lohnnebenkosten um die Hälfte auch für den zweiten Mitarbeiter. Ein Gründer schafft im ersten Jahr laut Statistiken der Kammer immerhin 2,4 Arbeits­plätze.Insgesamt versprüht man Optimismus: Im Vorjahr haben sich 37.120 Personen für die Selbstständigkeit entschieden; die Gründerzahl verzeichnet das dritte Jahr in Folge ein leichtes Plus. Den größten Anteil der Gründer machen gewerbliche Dienstleister aus, ihnen folgen die Unternehmens- und IT-Berater, und dahinter die Branche Werbung und Marktkommunikation. 75% der Gründer starten als Einzelunternehmer, 15% versuchen es mit einer GmbH. Diese Unternehmensform hat dank der GmbH-Reform – weil weniger Stammkapital eingebracht werden muss –, deutlich zugelegt, seit 2012 um 37%. 43,5% der Gründer sind Frauen, dazu haben auch Maßnahmen wie die „Betriebshilfe” maßgeblich beigetragen.

Die Suche nach dem Sinn

Gründungen von Einzelunternehmen dauern heute in Österreich, erzählt Elisabeth Zehetner, JW-Bundesgeschäftsführerin und Chefin des Gründerservice der Wirtschaftskammer, etwa 15 Minuten – „vorausgesetzt, man hat den Reisepass mit und ist nicht vorbestraft”. GmbH-Gründungen dauern länger; die lang angekündigte „One-Stop-Agency” für Gründer soll auch hier beschleunigend wirken. 110 Gründungen gibt es in Öster-reich per Werktag; die Fünf-Jahres-Überlebensrate dieser Firmen liegt bei 70%. „Etwa 20 Prozent”, schätzt Leitl, „werden innerhalb dieser fünf Jahre verkauft”, etwa zehn Prozent überleben die kritischen fünf Jahre nicht. Als Motive für die Selbstständigkeit – der durchschnittliche Gründer ist 37 Jahre alt – gelten „eigene Lebensgestaltung” und „Eigenverantwortung” – der Wunsch nach „Sinnerfüllung”, fasst Leitl zusammen. Was es noch brauche, sei eine Neuorientierung hin zu einer „Familiengesellschaft”, nicht nur der „Arbeitsgesellschaft”.Leitl griff auch das Thema Wiener Zeitung auf. Er hätte sich gewünscht, dass sich „eine der ältes-ten Tageszeitungen der Welt” zu einer europäischen Zeitung entwickelt, anstatt sich weiterhin über Pflichtveröffentlichungen zu finanzieren, bedauert der WKO-Chef.Ende Februar werden die Unternehmer an die Urnen gerufen, es finden die Wirtschaftskammerwahlen statt.

WKO-Präsident Leitl und JW-Bundesvorsitzender Rohrmair-Lewis präsentierten die Ergebnisse der Gründerstatistik (Archivbild).

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