Media-Analyse: "Österreich" verwarnt, Fellner kontert
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Helmut Hanusch, Präsident des Vereins ARGE Media-Analysen, Wolfgang Fellner, Herausgeber „Österreich“.
PRIMENEWS Redaktion 12.10.2017

Media-Analyse: "Österreich" verwarnt, Fellner kontert

ARGE Media-Analysen verwarnt wegen "Verletzung der Mitgliedspflichten". "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner: "Kritik muss erlaubt sein."

WIEN. Die Geschäftsstelle des Vereins ARGE Media-Analysen teilte am Donnerstag mit, dass der Vorstand des Vereins ARGE Media- Analysen gemäß seinen Statuten die Mediengruppe „Österreich“ GmbH öffentlich verwarnt habe. Grund für das Erlassen dieser Ordnungsmaßnahme ist "die Verletzung der Mitgliedspflichten, indem der Verlag im Zuge der Veröffentlichung der MA 15/16 und der MA 2016 Maßnahmen gesetzt hat, die die Bedeutung der MA in der Öffentlichkeit herabwürdigen".

Konkret geht es um eine OTS-Meldung aus dem Vorjahr (vom 13.10.2016), in der der Verlag, Bezug nehmend auf die MA 15/16, von einer faktenwidrigen Erhebungsmethode, einer wenig verlässlichen und höchst umstrittenen Onlinebefragung und weiter davon spricht, dass in den meisten anderen EU-Ländern Auflagenzahlen in die Reichweitenstudien mit einbezogen würden.  Des Weiteren gehe es um die in der Tageszeitung „Österreich“, auf www.oe24.at und im Newsletter vom 31.3.2016 getätigten Aussagen, in denen der Verlag die Zuverlässigkeit der MA in Abrede stellt, indem darauf verwiesen wird, dass nur die harten Daten der ÖAK zuverlässig seien.

Die Annahme einer faktenwidrigen Erhebungsmethode beziehe sich allein auf ein für die Mediengruppe „Österreich“ GmbH nicht nachvollziehbares Verhältnis von Auflage und Reichweite. Dem gegenüber stehe, dass das alleinige Steigern der Auflage selbstverständlich nicht automatisch zu einer Steigerung der Reichweite führt.

"Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner hatte im vergangenen Oktober seine Kritik an der Methodik der Media-Analyse so formuliert: "Gerade angesichts der im Detail bei den Bundesländer-Reichweiten und in den Zielgruppen völlig unerklärlichen Entwicklungen der Media-Analyse-Daten ist eine grundlegende Reform der Media-Analyse dringender denn je. Die Media-Analyse misst mit ihrer zum Teil faktenwidrigen Umfrageform, die auf einer wenig verlässlichen Online-Befragung basiert, nur noch das Image, nicht aber die wirkliche Leserzahl der Zeitungen. Auflagenschwache Zeitungen gewinnen trotz deutlicher Auflageverluste überproportional an Lesern dazu, auflagenstarke Massenmedien verlieren dagegen Reichweite, sogar wenn sie deutliche Auflagenzugewinne haben." Und: "Für uns ist diese eindeutig faktenwidrige und der tatsächlichen Auflagenentwicklung widersprechende Erhebungsmethode der Media-Analyse, die auf einer höchst umstrittenen Online-Befragung basiert und sich deshalb immer mehr zu einer reinen Imageuntersuchung entwickelt, nicht länger tolerierbar."

"Nicht unumstritten"
"Die Online-Befragung ist nicht unumstritten", schreibt der Verein ARGE Media-Analysen. "Einige Länder Europas haben diesen Weg bereits eingeschlagen, andere diskutieren intensiv darüber, um der wachsenden Mobilität in der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Zudem wird in Österreich jedem Respondenten die Möglichkeit gegeben, sich zwischen einem Online-Interview und einem Interview mit Unterstützung durch einen Interviewer zu entscheiden." Die Aussage, dass es in den meisten EU-Ländern längst üblich sei, die Auflagenentwicklung in Reichweitenstudien mit einzubeziehen, könne nicht nachvollzogen werden. Es sei aktuell keine Print-Währungsstudie bekannt, die Auflagenzahlen bei der Erhebung von Reichweiten berücksichtigt, indem sie diese in die Ergebnisse mit einfließen lässt.

Die zwei Instrumente (MA, ÖAK) zur Bewertung von Print (Leserzahl/-struktur und Auflage) existierten neben und unabhängig voneinander, um möglichst umfangreiche Informationen zum Printmarkt in Österreich zur Verfügung zu stellen.  "Wirtschaftlicher Egoismus darf nicht dazu führen, dass die relevanteste ‚Währung‘ der Werbebranche für Tageszeitungen, Wochenzeitungen und Magazine faktenwidrig öffentlich beschädigt wird", wird Helmut Hanusch, Präsident des Vereins ARGE Media- Analysen, zitiert.

Kritik "muss erlaubt sein"
"Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner und Geschäftsführer Oliver Voigt nahmen zur Verwarnung des Vereins Media-Analyse folgendermaßen Stellung: "Es muss in einem demokratischen Land erlaubt sein, Kritik an einer – mittlerweile auch in der Branche höchst umstrittenen und zuletzt sogar von einem Gericht nicht rechtskräftig verurteilten – Marktforschungsmethode zu üben, für die alle Verlage sehr viel Geld bezahlen." Voigt und Fellner weiter: "Gerade die heute veröffentlichten Zahlen der Media-Analyse beweisen, dass unsere Kritik nicht nur berechtigt, sondern auch richtig war. Hauptpunkt unserer Kritik war, dass die Media-Analyse durch ihre Form der Online-Befragung und durch das Fehlen expliziter Fragen zur Print- oder Online-Nutzung in ihren ermittelten Leserzahlen die Print-Leser und Online-Nutzer in hohem Maße vermischt. Dadurch sind jene Zeitungstitel, die keine gleichlautende Online-Seite betreiben – wie 'Österreich' mit seinem Portal oe24.at – massiv benachteiligt."

Dazu wird ein Beispiel angeführt: "In der neuen Media-Analyse etwa legt der ‚Standard‘ trotz eines Auflage-Verlusts seiner Print-Zeitung von 2.165 Exemplaren im Jahresvergleich (das ist ein Minus von 2,75%) auf wundersame Weise 0,6 Prozent an Reichweite und 49.000 Leser zu, steigert damit seine Leserzahl bereits auf 5,73 Leser pro Exemplar, womit der ‚Standard‘ in einem einzigen Jahr nahezu einen Leser pro Exemplar zugelegt hätte. Nach unserer Auffassung ist der deutliche Leser-Zuwachs des ‚Standard‘ selbstverständlich auf den großen Reichweitengewinn seines Online-Portals ‚standard.at‘ zurückzuführen, das in der ÖWA-Plus entsprechend ausgewiesen wird, während die Print-Auflage gefallen ist."

"Einführung von Kontrollfragen"
Voigt und Fellner resümieren: "Es kann nicht sein, dass in einer reinen Untersuchung der Print-Leser durch fehlende Kontrollfragen zur Online-Nutzung die Print-Leser jedes Zeitungstitels und die Nutzer des in den meisten Fällen gleichlautenden Online-Portals auf derart verzerrende Weise vermischt werden." Fellner und Voigt: "Die Media-Analyse benachteiligt durch die offensichtlich von Jahr zu Jahr zunehmende Zahl der Nutzung der Online-Portale jene Titel, die kein gleichlautendes Online-Portal haben – wie 'Österreich' mit oe24 – massiv und macht diese Titel mit jenen Titeln, die online gleichlautend vertreten sind, nicht mehr vergleichbar." Gefordert wird "die Einführung von mehreren expliziten Kontrollfragen, die es in der Media-Analyse möglich machen, künftig Online – und Print-Nutzung klar zu unterscheiden". Eine Reform sei "dringend nötig, wie gerade das soeben bekannt gewordene Urteil des Handelsgerichts Wien zeigt, in dem die Media-Analyse in einem verlorenen Rechtsstreit mit der Ahead-Media dazu verurteilt wurde, irreführende Angaben über Reichweiten periodischer Druckschriften zu veröffentlichen und zu verbreiten". (red) 

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