Opulente Bilder, nackte Zahlen
PRIMENEWS sabine bretschneider 19.05.2015

Opulente Bilder, nackte Zahlen


Trotz des fremdenverkehrswirtschaftlich perfekt choreo­grafierten Taumels zwischen Life Ball und Song Contest sind die Alarmsignale von Wirtschaft in Not hörbar.

Verstörend Am Samstagabend ging am Wiener Rathausplatz die 23. Auflage des Life Ball über die Bühne. Eine spektakulär inszenierte Veranstaltung, diesmal im Vorfeld des ESC, die die Österreich Werbung nicht besser in Tourismus-Werbespots hätte gießen können. Einzige – und wichtige – atmosphärische Störung des opulenten Schauspiels in werbegetrennten drei Akten („Der Auftakt”, „Red Carpet”, „Die Eröffnung”) war der Initiator des Aidshilfe-Events, Gery Keszler himself. Seine Kritik an der eigenen Party, die als Mittel den Zweck nur mehr ganz leise heiligt, und seine Trauer rückten gerade, was das Fegefeuer der Eitelkeiten auf dem roten Teppich oft an Misstönen erzeugt. Dass bei der Solidarity Gala die Promis „in Sachertortenlaune” (© Ober-österreichische Nachrichten) schwelgten und parallel dazu das Spendenvolumen einbrach, ist eine Schande.

Schlechte Noten

Zurück zu den weniger paradiesvogeltauglichen Themen: Am Freitag konstatierte der Leiter der EU-Kommissionsniederlassung in Wien, Johann Sollgruber, bei der Erläuterung der „länderspezifischen Empfehlungen” für die Alpenrepublik, Österreich sei „kein Musterschüler mehr” in der Union. Ganz im Gegenteil: beim Wachstum schlechter als der Durchschnitt, bei den Pensionen ebenso, bei der Gesundheit auch – trotz größter Ärztedichte nach dem Problembären Griechenland –, dafür die höchsten Inflationsraten, zunehmender Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, dritthöchster Gender Pay Gap, ein strukturelles Nulldefizit, das gar keines ist …
Dazu kämen „rechtliche Unklarheiten” bei der Hypoabwicklung , wie der wirtschaftspolitische Koordinator Marc Fähndrich nachlegte, und „finanzielle Unklarheiten” bei der Gegenfinanzierung der Steuerreform. Die Registrierkassenpflicht etwa gelte, so sein Wissensstand, nur mehr für Taxler, Friseure und die Gastronomie … Die EU-Kommission kalkuliere in ihrer Berechnung etwa 900 Millionen Euro Einnahmen aus der Betrugsbekämpfung-Neu; Österreich jedoch rechne mit 1,9 Milliarden.
Die Regierungsparteien haben sich am gestrigen Montag in allen strittigen Punkten zur „größten Steuerreform der Zweiten Republik” geeinigt. Präsentiert wird das Paket aller Voraussicht nach heute im Ministerrat. Die Luft ist trotzdem irgendwie draußen.

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