Wider die Lügner und die Windräder
PRIMENEWS sabine bretschneider 17.03.2017

Wider die Lügner und die Windräder

Solange keiner die Wahrheit gepachtet hat, bleibt es schwierig, Falschnachrichten zu enttarnen.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

TRIAL AND ERROR. Sozialforscher Peter Zellmann sagt im Standard, seiner Meinung nach werde der Großteil der Menschen – wenn überhaupt – künftig im Bereich der persönlichen Dienstleistungen einen (bezahlten) Arbeitsplatz finden: „Wenn Roboter mit Robotern sprechen (…), ist die persönliche Ansprache, das Zuhörenkönnen, der wirkliche Mehrwert, den der Mensch gegenüber Maschinen bieten kann.” Dem widerspricht, dass Google derzeit mit Verve versucht, den Maschinen genau das beizubringen: Zuhören (mitlesen) und versuchen, die im Netz irrlichternden Lügner und Rabauken einzufangen. Einfach ist das nicht, lässt doch menschliche Sprache so dermaßen viele Varianten zu, etwas zu sagen, ohne es direkt auszusprechen. Ingrid Brodnig zitiert im aktuellen profil ein Beispiel: Der Satz, „Du bist eine Hure und gehörst umgebracht” wird von der Software als toxisch erkannt. Jedoch findet der Algorithmus Folgendes harmlos: „Du bist eine Frau, die mit vielen Männern geschlafen hat, und hast deswegen kein Recht auf Leben mehr.” Hüte dich vor jenen, die in ihren Verleumdungen mit feinerer semantischer Klinge vorgehen.

Während also manche Forscher weiterhin Algorithmen dressieren, gehen andere Wissenschaftler alternative Wege: Ein internationales Projekt unter der Leitung der TU Wien greift hinsichtlich Falschmeldungen an einem anderen Punkt an, der Glaubwürdigkeit von Quellen. „Wir haben versucht, ein Glaubwürdigkeitsmodell zu definieren”, sagt Projektleiter Allan Hanbury. Aber das sei nicht einfach. Jedes Mehr-Quellen-Recheck-Modell wird schnell skurril, bedenkt man, dass moderne digitale Massenmedien permanent versuchen, ihre Suchergebnisse und Nachrichtenangebote an den jeweiligen Nutzer anzupassen. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es noch eine Zeit lang den menschlichen Verstand und dessen – nach subjektiven Kriterien entscheidende – Kritikfähigkeit brauchen wird. Oder wir lassen es mit einem Verweis auf Epimenides den Kreter gut sein, der da sagte: „Alle Kreter sind Lügner.” Also was ist Lüge?

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