Alles Thun zu seiner Zeit, Sonntagsarbeit nicht gedeiht
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RETAIL 28.08.2015

Alles Thun zu seiner Zeit, Sonntagsarbeit nicht gedeiht

In Wien gibt es im Gegensatz zu den restlichen Bundesländern noch immer keine Sonntagsöffnung – eine Bestandsaufnahme.

••• Von Daniela Prugger

WIEN. Täglich einkaufen, wo und wann man will, ist in Österreich noch hauptsächlich Wunsch­denken. Zwar gibt es vereinzelt Ausnahmeregelungen und sogenannte Tourismuszonen, wo Nahversorger auch sonntags zur Verfügung stehen. Doch im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten, wo Läden bis spät abends und teilweise sogar durchgehend geöffnet haben, tut sich hierzulande in dieser Sache recht wenig - und das Wenige recht langsam.

Zumindest über die Sonntagsöffnung im Wiener Handel wird seit einiger Zeit – so berichteten jedenfalls mehrere Medien – wieder diskutiert. In Wien gibt es bisher keine Sonntagsöffnung. Berichten zufolge prüfe die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) derzeit einen neuen Vorschlag der Wirtschaftskammer (WK) zur gebietsweisen Sonntagsöffnung im Handel. Doch jene Informationen, die bis dato an die Öffentlichkeit gelangten, bleiben wenig konkret. Barbara Teiber, die Regionalgeschäftsführerin der GPA-djp Wien, mahnt gar zu Vorsicht: „Viele der in jüngster Zeit zum Thema Sonntagsöffnung erschienenen Medienberichte muss man mit Vorsicht genießen, weil hier weniger Fakten und Tatsachen als vielmehr ein politisches Wunschdenken bestimmter Kreise zugrunde liegt.” Fakt sei aber, dass die WKW einen Vorschlag über die räumliche Ausdehnung von Tourismuszonen an die GPA-djp Wien übermittelt habe. Laut einem „Ö1”-Bericht könnte es sich um die Innere Stadt, die innere Mariahilfer Straße und auch um den Touristenmagneten Schönbrunn handeln. Allerdings gebe es laut Teiber bislang „weder Verhandlungen”, schon gar nicht stehe man „in dieser Frage vor einem Durchbruch”. Einem faulen Kompromiss werde man sicher nicht zustimmen.

„Entschleunigung als Qualität”

Vielmehr plädiert Teiber dafür, die Tage der Entschleunigung als besondere Qualität einer modernen Großstadt wie Wien anzusehen, „die auch von den Gästen besonders geschätzt wird”. Laut einer Gewerkschaftsbefragung sind auch die Wiener Angestellten mit der derzeitigen Situation zufrieden und gegen eine sonntägliche Öffnung der Geschäfte. Doch eine Befragung der WK kam zum Ergebnis, dass sich eine Gruppe sehr wohl darüber freuen würde: nämlich die Touristen. Eine „Sonntagsöffnung macht in touristisch stark frequentierten Zonen Sinn – dort entsteht Mehrumsatz. So kommen etwa 75% aller Umsatzsteuerrückforderungen in Wien vom ersten Bezirk”, argumentiert Klaus Puza, Geschäftsführer der Sparte Handel bei der WKW. Der Mehrumsatz, der sich in den Tourismuszonen generieren ließe, könnte sich demnach auf 140 Mio. € belaufen. „Wir dürfen uns diesen Mehrumsatz nicht entgehen lassen”, bestärkt Puza, bleibt aber zuversichtlich: Seiner Ansicht nach könnte die Tourismuszone in Wien noch in diesem Jahr umgesetzt werden. Bereits jetzt gebe es in allen anderen Bundesländern zusammen rund 500 Tourismuszonen. Laut Puza spreche dieser Umstand für die große vorherrschende Akzeptanz der Tourismuszonen. „Warum dies in acht Bundesländern möglich ist und in Wien auf derartigen Widerstand seitens der Gewerkschaft stößt, ist unverständlich”, so Puza. „Wir haben erhoben: Tourismuszonen bringen zumindest 800 neue Jobs – neue Arbeitsplätze, die Wien in Zeiten der Rekordarbeitslosigkeit dringend braucht.” Auch der Handelsverband fordert seit Jahren eine partielle Sonntagsöffnung. „Ein Kompromiss bestünde darin, die Öffnungszeit aufgrund von religiösen Aspekten am Sonntag auf 11:00-17:00 zu begrenzen”, fügt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, hinzu und verweist auf den internationalen Mitbewerb: „Die Einkaufscenter und Shoppingstraßen Bratislavas sind keine Stunde vom Stephansplatz entfernt.”

„Keine Notwendigkeit”

Beim Handelskonzern Rewe sieht man die Sache pragmatisch: „Solange es der Gesetzgeber – mit ein paar Ausnahmen – so vorschreibt, ist der Sonntag für uns tabu. Wenn der Gesetzgeber aber etwas ändert, dann muss er Rahmenbedingungen schaffen, damit eine Öffnung überhaupt möglich wird”, kommentiert Pressesprecherin Lucia Urban. Das Wohlergehen der Mitarbeiter und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stünden für Rewe an erster Stelle. Akut erkenne man außerdem auch keine Notwendigkeit, Läden am Sonntag offen zu halten: „Würde sich die Lage ganzheitlich ändern, dann würden wir aber grundsätzlich auch am Sonntag aufsperren.”

Rewe und Spar profitieren

Mitbewerber Spar lehnt eine Tourismuszonen-Regelung für Wien dagegen ab, „da sie eine willkür­liche geografische Einengung darstellt”, so Spar-Vorstandsvorsitzender Gerhard Drexel. Bereits am Beispiel Schönbrunn werde deutlich, dass es keine logisch stringente geografische Begrenzung für Tourismuszonen geben kann. „Die von Touristen meistfrequentierten Standorte – größte Hotspots wie der neue Wiener Hauptbahnhof oder der Bahnhof Wien-Mitte – wären in diesem Vorschlag nicht inkludiert”, so Drexel. Sein Gegenvorschlag: „Alle Wiener Händler können unabhängig vom geografischen Standort vier bis sechs Sonntage im Jahr offen halten. Tunlichst sollten dafür die Advent-Sonntage genutzt werden.” Doch wer sich die Situation von Rewe und Spar genau ansieht, erkennt schnell, dass die Konzerne bereits jetzt von einer geltenden Sonderregelung in Wien profitieren, nämlich an den Bahnhöfen und am Flughafen. Merkur- bzw. Billa-Filialen, die am Sonntag offen haben, finden sich am Wiener Westbahnhof, Praterstern und am Flughafen Wien-Schwechat gleich zwei Mal. Am Airport steht Konsumenten auch ein Spar Gourmet zur Verfügung; je ein Interspar-pronto befindet sich am Wiener Hauptbahnhof und in Wien Mitte. Und wie stark frequentiert diese Filialen tatsächlich sind, weiß jeder, der dort sonntags schon einmal war.

Kritik an „Ungleichbehandlung”

Einer, der bei diesem Thema sicher nicht ruhig zusieht, ist der Wiener Shoppingcenter-Betreiber und Unternehmer Richard Lugner. Er ist grundsätzlich der Meinung, dass sich die Politik in Österreich in Sachen einmische, die nur den Handel betreffen. „Politiker können ja nicht beurteilen, wie Unternehmen laufen oder zu führen sind. Aber sie entscheiden einfach, wer länger geöffnet haben darf und wer nicht”, sagt Lugner im Gespräch mit medianet und holt zum nächsten Schlag aus: „Was wir in Österreich vorfinden, ist eine Ungleichbehandlung. Manche Händler wie Rewe und Spar werden ganz klar bevorzugt – auf den Bahnhöfen vor allem. Dass Spar und Rewe kein Interesse an einer Sonntagsöffnung haben, ist klar, denn dann würden sie durch die größere Konkurrenz ja Verluste machen.”

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