Amazon und die Ideen der anderen
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Rocco Bräuniger ist Director Consumables bei Amazon EU SARL und sprach vor Kurzem in Wien über die Vorhaben des US-Konzerns.
RETAIL daniela prugger 16.12.2016

Amazon und die Ideen der anderen

Onlinehändler Amazon macht Netflix, Etsy und Co. ­Konkurrenz und weitet sein Angebot weiter aus.

••• Von Daniela Prugger

Der Internetkonzern Amazon nimmt es mit Netflix, Etsy, der Apple-Software Siri, Zalando und sogar Sky auf. Das Angebot wird in allen Bereichen ausgeweitet, ein Schwerpunkt liegt künftig auf dem hauseigenen Streamingdienst Prime Video, handgemachte Produkte und KMUs rücken in den Vordergrund. Außerdem soll sich Amazons Alexa Voice Service auch in europäischen Haushalten etablieren. Alexa steuert Musik, gibt Nachrichten wieder und kann sogar Witze erzählen. „Was sagt ein Fuchs, der morgens in den Hühnerstall kommt? – So. Jetzt aber mal raus aus den Federn.”

Aschenkindel, Wein & Kondome

Rocco Bräuniger (im Bild) – er ist zuständig für den Bereich Konsumgüter bei Amazon EU SARL – erklärte vor Kurzem in Wien, warum Amazon das macht: „Natürlich wollen wir verkaufen, aber wir wollen auch den idealen Service, damit die Kunden das ideale Produkt finden.” Amazon – das ist mittlerweile „Marktplatz, Retailer, Technologieunternehmen, Publisher und Movie-Studio in einem”.

Was den Bereich Content Creation betrifft, so sieht sich Amazon heute als direkter Konkurrent von Netflix. Der Streamingdienst wurde vor Kurzem auf 200 Länder ausgeweitet. Auch Amazon finanzierte bereits eine Reihe von Eigenproduktionen mit Stars wie Billy Bob Thornton, Bryan Cranston und Matthias Schweighöfer. In die Produktion von Serien mische sich bei Amazon niemand ein. „Mit uns können diese Schauspieler und Produzenten ihren Artistic Freedom ausleben; wir helfen ihnen dabei”, sagt Bräuniger. Ausgebaut wird auch die Prime Music-Mediathek. Dank eines Updates zeigt Prime Music nun auch die Songtexte zu den „Amazon Music”-Titeln an.
Auch die Kreativität von Autoren will der US-Konzern fördern und verleiht deshalb den ‚Kindle Storyteller Self Publishing Award' auch für den deutschsprachigen Raum. Gewinner im Jahr 2016: „Aschenkindel – Das wahre Märchen” von Halo ­Summer.

Selber denken ist passé

Daneben verspricht das Prime Now-Angebot von Amazon eine Lieferung zum Kunden innerhalb einer Stunde. 25.000 Produkte sind laut Bräuniger in München und Berlin kostenlos bestellbar. „Ob Eis oder was vom Metzger – es sind Produkte, die ein normaler Haushalt so zwischendurch mal benötigt, die man über Prime Now bestellt. Bei der Einstunden-Lieferung ist eine sehr beliebte Bestellung Wein und Kondome”, erklärt Bräuniger.

Alexa aber sei der eigentliche Sprung zur Vereinfachung des alltäglichen Lebens. „Man kann Alexa auch fragen, wie die Verkehrslage ist. Alexa kann aber auch die Smartphone Steuerung machen.” Jedes Start-up könne überdies eine App entwickeln und sie über den Alexa-Dienst abwickeln. „Wir haben schon große Unternehmen, die mit uns zusammenarbeiten wollen – Ford, Carrera, Siemens und Vorwerk (Anm.: Thermomix) etwa.”
Besonders kurz vor Weihnachten müsse das von Amazon ohnehin schon verinnerlichte Credo, nämlich alles für den Kunden zu machen, an den Tag gelegt werden. „Die Kunden legen Wert auf einen guten Preis, eine gute Auswahl und eine gute Lieferung”, so Bräuniger. „Wir wollen Inspiration fördern, auch im Bereich Fashion und Beauty.” So kurz vor dem Fest des Schenkens komme die Amazon-Handmade-Trendwende daher genau richtig. „Das Kriterium für die Betriebe, mit denen wir zusammenarbeiten: Es müssen weniger als 20 Mitarbeiter sein, und es muss nachgewiesen werden, dass alle Produkte manuell hergestellt werden.”

Kick it like Sky

Von seiner Niederlassung in Deutschland aus – sie betreut auch Österreich mit – macht der Konzern mit „Handmade at Amazon” Anbietern von Handgemachten, wie Dawanda oder Etsy, Konkurrenz. Hierzulande sichert sich der Internetriese mehr als die Hälfte der Top-Ten-Umsätze im Onlinehandel. Beim Branchenprimus kauften die Österreicher 2015 um 551,6 Mio. € ein. Für das nächste Jahr gilt: Amazon wird weiterhin in Online-Stars und Start-ups investieren. Wird versuchen, Prime Now auszubauen, neue Fulfillment Center aufzumachen und damit neue Jobs schaffen, kündigt Bräuniger an. Auch die Amazon Academy – eine Training- & Coaching-Plattform für Unternehmer – werde weiter betrieben. „Wir haben auch zum ersten Mal die Bundesliga-­Radio-Streaming-Rechte für 2017 bekommen”, so Bräuniger.

Konzentrationssache

Demnächst steht im deutschen Amazon Digital Video Store ein zusätzliches Video-on-demand-Angebot bereit. Es umfasst Archivbilder wie „Die größten Spiele” und „Legenden der Liga”. Diese Sendungen konnten Kunden bislang nur auf Sky sehen. Seitdem Amazon-Gründer Jeff Bezos die Washington Post übernommen und mit einem Team von Softwarespezialisten umgekrempelt hat, wird befürchtet, dass der Konzern auch etablierten Medien immer weiter auf die Pelle rückt. Die branchendiagonale Konzentration von und rund um Amazon jedenfalls scheint kein Ende zu nehmen.

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