Der Zucker wird im Herbst süßsauer
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ZuckerquoteWas einst den Milchmarkt aufschäumen ließ, droht nun beim Zuckerpreis für ungewollte Volatilität zu sorgen: Der Wegfall der EU-Quotenregelung öffnet die Märkte – auch für Exporte.
RETAIL Redaktion 30.06.2017

Der Zucker wird im Herbst süßsauer

Unternehmensberater Inverto warnt: Im Herbst kommt das Aus für Zucker-Mindestpreise und Exportbegrenzungen.

KÖLN. Über 30 Kilo Zucker verspeist ein durchschnittlicher Deutscher pro Jahr. Diese durchaus beträchtliche Menge wurde fast 50 Jahre lang über die EU-Zuckerquote gesichert. Per 1. Oktober dieses Jahres entfallen nun aber wesentliche Elemente der EU-Zuckermarktordnung: Mindestpreise und Exportbeschränkungen für EU-Zuckerproduzenten sind dann Geschichte.

Jahrzehntelang lief der Zuckerhandel in Europa in geordneten Bahnen: Die Industrie kaufte ihren wachsenden Bedarf bei einer überschaubaren Zahl europäischer Zuckerproduzenten. Im Herbst ändert sich das: Mit dem Wegfall wesentlicher Elemente der EU-Zuckermarktordnung müssen Produzenten und Zuckereinkäufer am Weltmarkt agieren. Während sich Rübenbauer und Zuckerproduzenten seit Jahren auf diese Veränderungen vorbereiten, befassen sich die Abnehmer noch nicht oder halbherzig mit den neuen Rahmenbedingungen.

Zuckerbedarf absichern

„Durch die Bedarfsdeckung auf dem Weltmarkt gewinnen neue Faktoren an Bedeutung”, sagt Marcus Schwarz, der als Principal bei der auf Einkauf und Supply Chain Management spezialisierten Unternehmensberatung Inverto Unternehmen beim Zuckereinkauf berät. Um auf dem geöffneten Markt mit steigendem Bedarf die Versorgungsmenge zu sichern (und die bestmöglichen Preise zu erzielen), bedarf es professioneller Sourcing-Strategien und gezielten Risikomanagements. „Die veränderte Situation ist sicherlich eine Herausforderung, doch auch eine Chance, die sich der Einkauf nicht entgehen lassen darf.”

2016 hat Deutschland noch 95% seines Zuckerbedarfs selbst gedeckt. Mit dem Wegfall der Exportquote und dem infolge steigenden Zuckerexport kann es zu Versorgungsengpässen auf dem Binnenmarkt kommen. ­„Darum ist es wichtig, alternative ­Zuckerlieferanten im Port­folio zu haben”, so Schwarz.
In Anbetracht der volatilen herbstlichen Aufzuckerung empfiehlt sich ggf. die Absicherung durch größere Lagerkapazitäten oder der Abschluss von Verträgen mit kurzen Laufzeiten. Sollten nun viele Abnehmer größerer Mengen die gleiche Strategie verfolgen, würde das aber den Zuckermarkt noch weiter ins Wanken bringen.
„Neben den benötigten Zuckermengen müssen auch die Zuckerpreise abgesichert werden”, legt Schwarz dar. „Ungeplante Preissteigerungen können nicht einfach weitergegeben werden. Hedging ist eine Maßnahme, um Preisrisiken abzufedern.” Durch die Fixierung eines angemessenen Preises über einen zeitlich definierten Raum könnten somit Transaktionen gegen starke Preisschwankungen abgesichert werden. Gewiss ist: Ab 1. Oktober ist die Zeit der Planungssicherheit vorüber. Möglicherweise ändert sich auch der Zuckerkonsum. (nov)

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