Eine Mio. € Nachbarshilfe,  aber keine Schuldeinsicht
RETAIL daniela prugger 11.02.2015

Eine Mio. € Nachbarshilfe, aber keine Schuldeinsicht

HCB-Skandal Das Zementwerk von w&p im Kärntner Görtschitztal soll im Zusammenhang mit HCB-Skandal stehen

Zwei Jahre lang wurde im Zementwerk Wietersdorf mit HCB kontaminierter Blaukalk verbrannt.

Klagenfurt. Über eine Mio. Euro hat die Firma w&p seit November 2014 gezahlt: Für den Austausch von mit dem krebserregenden Umweltgift HCB (Hexachlorbenzol) belas-teten Futtermitteln, Labortests und Zahlungen an Bauern. „Nachbarschaftshilfe” – so bezeichnet Wolfgang Mayr-Knoch, der Geschäftsführer des von w&p betriebenen Zementwerks Wietersdorf, in Klein St. Paul im Kärntner Görtschitztal, die Kostenübernahme. „Das hat nichts mit Schuld zu tun, das ist unsere Verantwortung für das Görtschitztal.”

Dass etwas nicht stimmte im Görtschitztal, weiß ganz Österreich seit November 2014. Das Gemüse aus dem eigenen Garten, die Milch aus dem eigenen Tal – so sieht sie wohl aus, die bestmögliche Art und Weise, sich zu ernähren. Doch inmitten der idyllischen Kärntner Landschaft wurde im Zementwerk Wietersdorf zwei Jahre lang mit HCB kontaminierter Blaukalk verbrannt. HCB soll dabei in die Umwelt gelangt sein und konnte in Milch, Milchprodukten und Fleisch aus der Region nachgewiesen werden.

„Lassen Kopf nicht hängen”

Im Zementwerk darf seit Dezember kein Blaukalk mehr verwendet werden. An der Aufarbeitung des Skandals sind die Justiz, der Landtag und eine eigens dafür eingerichtete Kommission beteiligt. Die Bodenuntersuchungen – 18 von 32 eingesendeten Proben sind ausgewertet – ergaben eine überwiegende Belastung mit HCB; nur in drei Proben war HCB nicht nachweisbar. Wie viel w&p im Zusammenhang mit der Verseuchung des Tals durch Hexachlorbenzol noch ausgeben wird, konnte Geschäftsführer Mayr-Knoch nicht sagen. „Wir wissen die Futtermittelmengen nicht, die noch zu entsorgen sind.” Seit über 20 Jahren ist HCB, das früher auch zum Beizen von Getreide eingesetzt wurde, in Österreich verboten. Aufgrund seiner Langlebigkeit findet man es aber in manchen Gegenden noch immer im Boden, berichtet Robert Gordon in „Am Schauplatz” (05.02.2015, ORF2). Die Kärntner Molkerei-Genossenschaft Sonnenalm hat im März 2014 erstmals Hinweise auf eine HCB-Belastung ihrer Milch erhalten. Über den Sommer gingen die Werte zurück, ehe sie im Herbst wieder anstiegen. An die Öffentlichkeit gelangten die Informationen erst im November. Alles, was die Molkerei auf Lager hatte, musste vernichtet werden, bereits Ausgeliefertes zurückgerufen werden. Erst ein halbes Jahr später kam das Zementwerk als Giftquelle in Verdacht; 17 Jahre Aufbauarbeit seien zunichte gemacht worden, sagte Sonnenalm-Geschäftsführer Hannes Zechner. Aufgeben will er aber nicht: „Wir werden den Kopf nicht hängen lassen.”

Weitere Umweltskandale

Doch Umweltskandale sind in Österreich leider keine Seltenheit. Aktuell steht in Niederösterreich eine Chemiefirma vor Gericht – sie soll jahrzehntelang giftige Abwässer ins Grundwasser geleitet haben. In Oberösterreich sollen mutmaßlich kriminelle Machenschaften dazu geführt haben, dass das Trinkwasser einer Gemeinde mit Pestiziden verseucht wurde. Eines haben all diese Vorfälle gemeinsam: Aufgeflogen sind sie nicht, weil die Entsorger chemischer Produkte oder die zuständigen Behörden die Bevölkerung warnten. Reporter oder Umweltorganisationen, die nachgeforscht haben, oder Lebensmittelkontrollen, die auffällige Werte maßen – so wurden Missstände aufgedeckt. „Es stellt sich die Frage, was Umweltgesetze überhaupt nutzen, wenn nicht kontrolliert wird, ob sie eingehalten werden”, kritisiert Peter Resetarits in „Am Schauplatz”.

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