Grausame Weihnachten: Schwere Packerl, hartes Los
© APA/AFP/Adrian Dennis
RETAIL 11.12.2015

Grausame Weihnachten: Schwere Packerl, hartes Los

Die Händler dürfen sich freuen, für die Paketzusteller und Lager­mitarbeiter ist das Weihnachtsgeschäft oft ein Knochenjob.

••• Von Daniela Prugger

WIEN. Es sind Mio. an Paketen, die noch vor Weihnachten in Österreich verpackt und ausgeliefert werden müssen. Allein die teilstaatliche Österreichische Post AG erwartet heuer zehn Mio. Päckchen im Weihnachtsgeschäft, ein Plus von acht Prozent zum Vorjahr.

Besonders bei Zalando, Amazon, eBay und Co. wird in der Vorweihnachtszeit gern eingekauft – nicht zuletzt wegen der zahlreichen Rabattaktionen. Doch ohne die Extraschichten und Überstunden der Zusteller und Lagerarbeiten wäre ein rechtzeitiges Eintreffen der Pakete wohl kaum möglich.
Hoher Arbeitsdruck, schlechte Bezahlung und prekäre Beschäftigungsverhältnisse – das ist die Realität in der Branche, wie auch die Gewerkschaft schon des Öfteren kritisierte. Selbstständige Zusteller werden von Subunternehmen oftmals pro ausgeliefertem Paket bezahlt, bei schlechter Auftragslage verdienen die Paketausfahrer sehr wenig. Für die Arbeiterkammer (AK) sind Paketzusteller, die als Ein-Personen-Unternehmen arbeiten, als Scheinselbstständige einzustufen, weil sie von einem Auftraggeber wirtschaftlich abhängig sind.

Die Realität einer Branche

Als „moderne Sklaverei” etwa bezeichnete Aufdeckungsjournalist Günter Walraff die Arbeitsbedingungen beim deutschen Paketdienst GLS im Jahr 2012. GLS hatte damals den Beitrag als „einseitige und verkürzte Berichterstattung” zurückgewiesen. Und der Handelsexperte Peter Schnedlitz von der Wirtschaftsuniversität Wien prognostizierte vor einiger Zeit, dass die Arbeitsbedingungen bei Online-Händlern zu „einer Proletarisierung der Handelsmitarbeiter” führten. Im Gegensatz zum stationären Handel, wo man noch eine Familie ernähren kann, so Schnedlitz, könnten Logistikmitarbeiter im Lager der Onlinehändler und der Paketzusteller kaum von ihrer Arbeit leben. Und wenn es um Kritik von Arbeitsbedingungen und Gehältern bei Onlinehändlern geht, ist die deutsche Gewerkschaft Verdi (ver.di) nicht weit.

10.000 zusätzliche Lagerarbeiter

Seit Jahren schon zieht sich der Tarifstreit, in welchem Verdi vom weltweit größten Onlinehändler Amazon die Anerkennung des Tarifvertrags für den Einzel- und Versandhandel für die Lagerarbeiter fordert. Amazon lehnt Verhandlungen darüber aber ab. Für das heurige Weihnachtsgeschäft hat der US-Konzern in Deutschland temporär 10.000 zusätzliche Lagerarbeiter angestellt.

In den USA hatte Amazon angekündigt, rund 100.000 Saisonkräfte für das Weihnachtsgeschäft zu beschäftigten. Die Lagerarbeiter müssen pro Tag oftmals 20 Kilometer und mehr zu Fuß zurücklegen. In Österreich betreibt Amazon keine eigenen Lagerhäuser, alle auf amazon.at bestellten Waren werden aus Deutschland oder aus anderen Ländern zugestellt. Obwohl Online zweifelsohne boomt, erwartet Schnedlitz keine dramatischen Auswirkungen auf den österreichischen Einzelhandel durch das Onlinegeschäft. Für den Handelsexperten ist der Onlinehandel nur eine moderne Version des Versandhandels – und für Shoppingmuffel damit eine Möglichkeit, überfüllte Filialen und volle Einkaufsstraßen in der Weihnachtszeit zu meiden.

Aussicht für stationären Handel

Auch laut Handelsobmann Peter Buchmüller sind die Aussichten für den stationären Handel rosig – ein leichter Umsatzanstieg wird erwartet. Die Menschen seien in diesem Jahr ausgabefreudiger, das ergaben zumindest diverse Konsumentenumfragen. Und auch die Unternehmen berichteten bisher von guten Geschäften, sagte Buchmüller. Im Jahr 2014 stieg der Umsatz im Weihnachtsgeschäft laut KMU Forschung leicht um 0,5 Prozent auf 1,62 Mrd. €. Der verkaufs­offene 8. Dezember zeigte sich einmal mehr als zusätzlicher 5. Advent-Einkaufs-Samstag, so Buchmüller; viele nutzten den Tag, um ihre Weihnachtsgeschenke zu besorgen.

Abhängig von der Branche

Seine eigenen Geschäfte ließ der Handelsobmann aber zu: „Ich fahre besser, wenn ich zulasse”, räumte Buchmüller ein. Für die Beschäftigten sind nämlich 100% Zuschlag und Zeitausgleich fällig. Der Salzburger führt zwei Lebensmittelgeschäfte mit in Summe 36 Beschäftigten. Auch die Lebensmittelkette Billa ließ ihre rund 1.000 Filialen geschlossen.

„Es hängt sehr mit der Branche zusammen”, meint Buchmüller. Für die Sparten, die klassische Weihnachtsartikel verkaufen, mache es Sinn, offen zu halten – also für Uhren-, Schmuck- und Buchhandel, Spielwaren- und Elektrogeschäfte sowie Sport- und Bekleidungshändler.
Davon, dass sich das Weihnachtsgeschäft positiv entwickelt, geht auch Vizekanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner aus. Außerdem werde „laut Prognosen der Österreichischen Nationalbank die österreichische Wirtschaft in den Jahren 2016 und 2017 wieder so stark wachsen wie jene im gesamten Euroraum”. Rund 340 Mio. € Umsatz erwartet die Wirtschaftskammer allein im Wiener Weihnachts­geschäft im Dezember.

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