Trouble in Germany: Was macht Kaiser’s?
© Tengelmann
RETAIL christian novacek 30.09.2016

Trouble in Germany: Was macht Kaiser’s?

Edeka will Kaiser’s von Tengelmann, Tengelmann will Kaiser’s an Edeka abgeben. Leider ist das nicht so einfach.

••• Von Christian Novacek

Für Tausende Beschäftigte ist es eine Zitterpartie. Für die Player im deutschen Handel trifft eher der Begriff Pokerpartie zu. Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub plant bekanntlich, seine (verlustreiche) Supermarktkette Kaiser's an Edeka abzutreten. Edeka ist der LEH-Marktführer in Deutschland, ergo hatten die Gerichte etwas dagegen. Stichworte: Machtkonglomerat, Kartellrecht.

Ganz besonders war naturgemäß der Marktzweite Rewe gegen die Übernahme. Deren Chef Alain Caparros verlautete in der Vorwoche: „Wir können die Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann sichern, indem wir gemeinsam den Weg freimachen für eine faire Aufteilung der Märkte.”

Faire Aufteilung

Zuvor hatte Caparros schon beklagt, dass er im Gegensatz zur Edeka kein Angebot von Tengelmann erhalten habe. Beklagt übrigens im wörtlichen Sinn, zumal die Komplettübernahme nicht zuletzt wegen der Klagen der Mitbewerber Rewe, Markant und Norma auf Eis gelegt wurde. Gegen die Untersagung des Tengelmann-Edeka-Deals, welche das deutsche Bundeskartellamt verhängte, schritt infolge der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ein. In seiner Darstellung geht es um die Sicherung der Arbeitsplätze. Gerade das, eben die Sicherung ebendieser, ist im Fall von Übernahmen jene heiße Kartoffel, die der eine dem anderen zuschupft, um sie bestmöglich nur so lang in Händen zu halten, als man sich daran nicht die Finger verbrennt. In abgewandelter, tendenziell pointierter Auslegung: Man drückt dem anderen die heiße Kartoffel fest in die Hand, damit dieser sich dran verbrennt.

In diesen Kontext passt die aktuelle Entwicklung: Karl Erivan Haub verkündete nämlich „eine letzte Chance”, die er jenen gewährt, die um den Topf des Kaiser's rittern. Sprich: Haub ist „zur Entscheidung gelangt, den Übergabeprozess nunmehr zu beenden”. Um somit die besagte heiße Kartoffel nicht zu kompostieren, wurde – in dem Fall von der deutschen Gewerkschaft – ein runder Tisch initiiert. Letzte Woche, am Donnerstagabend, kam es daher zum dreistündigen Spitzentreffen mit den Chefs von Tengelmann, Edeka, Rewe, ­Markant sowie Verdi. Das Ergebnis war aber infolge kein Ergebnis, lediglich eine „zeitnahe” Fortsetzung der Gespräche wurde vereinbart – mit dem Ziel, für die Beteiligten und die Beschäftigten eine tragfähige gemeinsame Lösung zu finden.

Tief in den roten Zahlen

Den Zeitrahmen für diese Lösung steckt Haub jetzt rigoros ab. Der Tengelmann-Chef spricht seinerseits von Knappheit bzw. „Zeit, die wir nicht haben”. Denn: Die Zahlen bei der Supermarktkette Kaiser's tendieren geradewegs in den roten Bereich. Je tiefer im Roten, desto weniger haltbar ist das Konstrukt. Nicht haltbare Konstrukte obliegen flugs der Zerschlagung. „Für das weitere Beschreiten des Rechtswegs wären vermutlich weitere zwei Jahre erforderlich”, resümiert Haub. So lang könne er die Aufrechterhaltung eines ordentlichen Geschäftsbetriebs schlichtweg nicht gewähr­leisten.

Sollten also die derzeit laufenden Sondierungen in der kommenden Woche weiterhin im Sand (ver)laufen, folgt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Zerschlagung, denn dass die Tengelman-Gruppe als Eigentümer sich aus dem Lebensmittelgeschäft zurückziehen will, ist evident. Entsprechend hat sich bereits ihr Selbstverständnis gewandelt: Tengelmann ist heute weniger Händler und viel mehr eine ­Beteiligunsgesellschaft.
Die simple Lösung, dass Rewe und Markant ihre Klagen gegen die Ministererlaubnis zurückziehen, spielts offenbar nicht. Zwar könnte in diesem Fall Edeka Kaiser's Tengelmann komplett übernehmen, und die vom Handelsriesen mit Verdi für diesen Fall ausgehandelten Tarifverträge würden greifen. Dagegen spricht aber: Edeka ist schon mit Abstand Deutschlands größter Lebensmittelhändler, und Rewe will nicht weiter Boden verlieren. Verständliche Motive - lediglich bei 16.000 Mitarbeitern ohne Job würd's am Verständnis mangeln.

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