Vegetarisch für Fleischesser
© Hermann Fleischlos
CEO-Duo GF Hermann mit Sohn Thomas Neuburger.
RETAIL Ornella Wächter 16.06.2017

Vegetarisch für Fleischesser

Neben dem Leberkäse, den niemand so nennt, produziert Hermann Neuburger auch fleischlose Produkte..

••• Von Ornella Wächter

Einen Leberkäse zu verkaufen, den man laut Werbeslogan „niemals” Leberkäse nennen darf, ist schon ein starkes Stück. Hermann Neuburger, der Fleischproduzent aus Ulrichsberg im Mühlviertel, hat es einfach gemacht. Und blieb damit in den Köpfen der Österreicher haften. Dann tat der Geschäftsführer des Neuburgerschen Familienbetriebs, was noch unkonventioneller für seinen Berufsstand war: Er führte eine vegetarische Produktlinie ein, die aus Kräuterseitlingen bestehen, einer Pilzsorte.

Gemeinsam mit seinem Sohn Thomas tüftelte Hermann Neuburger an der neuen fleischlosen Linie, die insgesamt vier verschiedene Produkte umfasst, darunter Bratstreifen, Gyros, Käsebratwurst und Rostbratwürstchen ohne Fleisch. Doch was veranlasst einen Wurst­erzeuger zu solch einer Idee? „Ich sehe die Fleischproduktion schon seit einiger Zeit kritisch und habe mir die Frage gestellt, ob man das heute noch mit gutem Gewissen tun kann”, erklärt Hermann Neuburger sein Experiment mit der fleischlosen Welt.

Nicht Fisch, nicht Fleisch

Etwas zu essen, was nur so tut als ob, zum Beispiel Putenstreifen, das aber eigentlich aus veganen Zutaten besteht, stößt auf immer mehr Zustimmung. Auf das tierische Original wird nämlich zunehmend aus ethischen Gründen verzichtet. Massentierhaltung, die Vermutung von Zusatzstoffen und Antibiotika im Futtermittel, Fleischskandale – die Liste ist lang.

Solche Dinge gehen am ernährungsbewussten Konsumenten nicht mehr vorbei. Glaubt man den Zahlen, sollen sich bereits 40% der Österreicher flexitarisch ernähren (Karmasin Motivforschung 2015). Fleisch wird nur ab und zu gegessen, aber nicht völlig vom Menü gestrichen – ein Ernährungstyp, der damit gern auf Fleischersatz-Produkte zurückgreift. Auch Hermann Neuburger wollte mit seiner Fleischlos-Linie die ursprüngliche Fleischproduktion nicht zur Gänze beenden; ihm gehe es um „Reduktion” und um keinen „Fleischverzicht”, stellt er klar. Und: „Damit fördern wir auch unsere Gesundheit und schonen die natürlichen Ressourcen unserer Umwelt.” Vor einem Jahr starteten Vater und Sohn dann einen Testbetrieb in einigen wenigen Supermärkten im städtischen Raum.

Die Hermann Fleischlos-Produkte, die im Auftritt betont hochwertig rüberkommen sollen und auch nicht in Discountern gelistet werden, kommen gut an. Die Pilzart des Kräuterseitlings, die Vater und Sohn als Fleischersatz auswählten, scheint die Konstistenz von Fleisch am besten imitieren zu können. Weniger überzeugend sollen Tofu, Soja und Erbsenprotein sein, die von anderen Herstellern herangezogen werden. Eindeutige Zahlen kann Neuburger aber nicht nennen und beruft sich dabei auf die anhaltende Testphase. „Was wir sagen können, ist, dass die bisherige Resonanz unsere Erwartungen übertrifft. Wir sind bereits in 200 Supermärkten gelistet”, darunter Spar, Merkur, Denn's und einige Billa-Filialen.

Fleischlos, aber mit Biss

Doch obwohl Neuburgers Produkte allesamt aus rein biologischen Zutaten bestehen, wird dem Hype um vegetarische Alternativen ein kleiner Dämpfer verpasst. Das belegen auch Zahlen der deutschen Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), wo die Leute immer weniger Fleischersatz-Produkte kaufen. Neuburger führt das „Abflachen der Wachstumskurve” darauf zurück, dass viele Produkte „in Haptik und Geschmack den Vorstellungen der Konsumenten nicht entsprechen”. Viele hektisch auf den Markt geworfene Produkte schmeckten einfach nicht, zudem wurde viel mit ­Zusatzstoffen gearbeitet.

Nichtsdestotrotz: Die Produktion auf Pilzbasis soll bis 2021 mit Investitionen der Firma Hermann Fleischlos von bis zu 37 Mio. € angekurbelt, 50 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Denn, Hermann Fleischlos habe sich „bewährt”, so Neuburger. Und wenn nicht, dann gibt es noch immer die Linie mit dem Leberkäse, den aber niemand so nennen würde …

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