Virtual Reality mischt den Digital Retail auf
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RETAIL Matthias Weber 26.01.2018

Virtual Reality mischt den Digital Retail auf

Chancen und Risiken von Virtual Reality im E-Commerce: VR als digitale Erweiterung der Kundenkommunikation.

••• Von Matthias Weber

Die Österreicher sind wahre Online-Shopper. Das zeigt auch die „E-Commerce-Studie Österreich 2017” des Handelsverbands. So entfallen 6,8 Mrd. € auf den Onlineumsatz. Das Besondere daran: Allein 530 Mio. € verbucht der Mobile Commerce von dieser Summe für sich; das entspricht einem Plus von 25% im Vergleich zu 2016. Damit werden Smart­phone, Tablets und Co. immer wichtiger – sowohl für Nutzer als auch für Händler. Unmittelbar damit verbunden ist eine außergewöhnliche (mobile) Customer Experience. Hierbei kann vor allem Virtual Reality (VR) helfen. Doch warum sollten Entscheider darauf setzen und wo liegen Chancen und Grenzen dieser Technologie?

Intensives Onlineshopping

Durch das Eintauchen in virtuelle Welten wird das Online-Shopping interaktiver, intensiver und vor allem emotionaler. Die Technologie kann also Unternehmen helfen, den Dialog mit dem Kunden auf eine neue Ebene zu heben. Zudem lassen sich damit Produkte platzieren, werbende Informationen transportieren und höhere Umsätze im digitalen Absatzkanal erzielen. Aus diesem Grund ist VR besonders „für hochpreisige Produkte beziehungsweise Investitionsgüter wie Autos oder Fertighäuser” geeignet, sagt Alexander Henss, Principal Consultant bei der Fullservice-Digitalagentur ­Namics.

Ebenfalls prädestiniert ist VR für erklärungsbedürftige Produkte, die sich selbst über Text, Bild und Video nur schwer erleben lassen. Durch die Integration dieser Technologien können Hersteller „künftig Kunden in die Lage versetzen, Produkte und deren Anwendung virtuell erlebbar zu machen”, sagt Jan Sieweke, Leiter Business Development E-Commerce bei der Allgeier IT Solutions GmbH. Daher sollten auch Firmen aus dem B2B-Bereich diesem Trend offen gegenüberstehen und sich die Frage stellen, wie sie die vorhandenen Szenarien aus der B2C-Branche adaptieren können.

Vielfältige Möglichkeiten

Die Möglichkeiten von Virtual Reality scheinen unbegrenzt – immerhin setzt die Technologie der Fantasie nur geringe Barrieren. Diese sind etwa die Bewegungsfreiheit oder die hohen Anschaffungskosten von professionellen VR-Brillen. Sind diese aber einmal überwunden, können Nutzer in eine völlig neue Welt eintauchen, wie das Beispiel aus der Modebranche zeigt: VR-Brille aufgesetzt, und schon steht der Kunde in einer virtuellen Umkleidekabine; dort kann er vorher ausgewählte Produkte anziehen, im Idealfall sogar Bilder machen und über Social-Media-Kanäle den Rat seiner Freunde einholen. Einen weiteren Vorteil führt Sieweke an: „Während Kunden in lokalen Geschäften oft nur drei Kleidungsstücke mit in die Umkleidekabine nehmen dürfen, stehen ihnen im virtuellen Shop alle Möglichkeiten offen.” Für den B2B-Sektor ist die 3D-Ansicht von Produkten ebenfalls relevant, zum Beispiel für die Holz- und Baustoffbranche.

Kommt der digitale Store?

Doch auch wenn dieses Szenario auf den ersten Blick spannend klingt, müssen Entscheider genau prüfen, wo die Grenzen liegen, und wo es zwingend noch den stationären Handel oder andere Kanäle braucht; dabei geht es vor allem um das Weiterdenken der Einsatzmöglichkeiten.

Eine Hürde in der Mode-Branche zeigt sich zum Beispiel hier: Eine Umkleidekabine in die virtuelle Realität zu bringen, scheint sinnvoll. Aber wie sieht es mit den ersten virtuellen Stores aus? Roland Fesenmayr, CEO der Oxid eSales AG, ist von dieser Idee nicht überzeugt: „Von dem Ansatz, reale Shoppingumgebungen in VR zu ‚kopieren' und die Navigation durch einen Shop versuchen dreidimensional abzubilden, halte ich wenig.” Was fehlt, sei der entscheidende Mehrwert.

VR-Kundenkommunikation

Die Technologie kann heute für wenige innovative Onlinehändler mit entsprechendem Budget ein spannendes Experimentierfeld sein. Doch die Gegenüberstellung zeigt: Neue Interaktionsformen nur wegen des „Selbstzwecks” einzuführen, ist zu kurz gedacht.

Hinzu kommt, dass VR derzeit noch ein Nischenmarkt ist. Daher sollten Entscheider die Technologie als eine Erweiterung des digitalen Kundenerlebnisses sehen – im Idealfall sogar mit der Verknüpfung zur realen Welt. Nur wenn beides überzeugt und den Unternehmen ein konsistentes Kundenerlebnis bietet – in beiden Welten –, lässt sich der Verbraucher begeistern. Eines steht aber fest, wie Joachim Schröder, Geschäftsführer von Till.de, konstatiert: „Beim Shopping-Erlebnis wird das Thema Wohlfühlen und Begeisterung also noch mehr im Fokus stehen als heute.”

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