Pflege & Recht
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DOSSIERS Skender Fejzuli 04.11.2016

Pflege & Recht

Was wir wissen wollen: Typische sieben Fragen zum Pflegerecht aus dem Alltag eines Notars.

••• Von Skender Fejzuli

WIEN. Was ist in der Pflege rechtlich geregelt und was nicht? Eine Frage, die die Menschen irgendwann im Leben ereilt – Round Table-Teilnehmer Notar Claus Spruzina gab uns einen Einblick.

medianet:
Wann ist man bei mangelnder Vorsorge im Pflegefall oder bei Pflegebedürftigkeit selbst Träger seiner Kosten?
Claus Spruzina: Grundsätzlich wird Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs nur gewährt, wenn das eigene Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfesuchenden nicht mehr ausreicht, um den Lebensbedarf zu sichern. Sohin hat man selbst für die Folgen der Pflegebedürftigkeit aufzukommen und auch verwertbares Vermögen ist bis zum ‚Schonvermögen' in Höhe von circa 5.200 Euro heranzuziehen.

medianet:
Wann und wie weit können auch nähere Angehörige zum Kostenbeitrag verpflichtet werden?
Spruzina: Nach derzeitigem Recht werden die nahen Angehörigen zu Leistungen nur dann herangezogen, wenn sie innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Bedürftigkeit Schenkungen vom Pflegebedürftigen erhalten haben.

Obwohl Kinder grundsätzlich nach den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs auch gegenüber Eltern unterhaltspflichtig sein können, findet derzeit ein Kostenersatz im Rahmen der Sozial­hilfe nicht statt.


medianet:
Wie funktioniert das Prinzip der Vorsorgevollmacht? Welche Vorkehrungen müssen von Betroffenen vorab getroffen werden?
Spruzina: Die Vorsorgevollmacht wird bei voller Geschäftsfähigkeit errichtet und wird erst wirksam, wenn die Geschäftsfähigkeit oder Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder Äußerungsfähigkeit verloren geht. Dies ist durch ein ärztliches Attest zu bestätigen. Wird die Bestätigung erteilt, kann der Vollmachtnehmer sämtliche Rechtsgeschäfte, für die die Vollmacht erteilt wird, abschließen und für den Vollmachtgeber notwendige Erklärungen abgeben.

Wie weit die Vollmacht reicht, ist individuell zu bestimmen und liegt allein in der Entscheidung des Vollmachtgebers, ­entweder für sämtliche Rechtsgeschäfte oder nur eingeschränkt.


medianet:
Worin liegt der Unterschied zwischen einer Vertretungsbefugnis und einer Vorsorgevollmacht?
Spruzina: Wenn Sie hier die Angehörigenvertretung meinen, liegt der Unterschied darin, dass die Vorsorgevollmacht viel weiter gehen kann als die Angehörigenvertretung – auch ärztliche Maßnahmen, die mit einer nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit verbunden sind, dauerhafte Änderung des Wohnorts, Verwaltungsmaßnahmen, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, können mit der Vorsorgevollmacht entschieden werden.

medianet:
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die Patientenverfügung? Welche Modelle gibt es?
Spruzina: Mit der Patientenverfügung werden bestimmte Behandlungsmethoden abgelehnt; die Patientenverfügung richtet sich in der Regel an die Ärzte, die diese zu befolgen haben. Bei der verbindlichen Patientenverfügung darf der Arzt die ausgeschlossenen Behandlungen nicht vornehmen, bei der beachtlichen soll er sie nicht vornehmen. Die verbindliche Patientenverfügung muss alle fünf Jahre erneuert werden.

medianet:
Welche Möglichkeiten werden Ihrer Erfahrung nach am häufigsten in Anspruch genommen und auch über die fünfjährige Frist hinaus regelmäßig aktualisiert?
Spruzina: Den weitaus weitesten Anwendungsbereich hat die Vorsorgevollmacht; sie beinhaltet auch das Vertretungsrecht gegenüber Ärzten und hat daher auch den umfassendsten Anwendungsbereich.

Sie muss auch nicht alle fünf Jahre erneuert werden, sondern gilt bis zu einem eventuellen Widerruf.


medianet:
Von wem werden die jeweiligen Möglichkeiten in Anspruch genommen?
Spruzina: Die Vorsorgevollmacht nehmen Menschen ab 60 in Anspruch; aber auch immer mehr junge Menschen errichten eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht, vor allem wenn sie miterlebt haben, was passieren kann, wenn man keine Vorsorge getroffen hat.

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